Fleisch, Fisch, Wurst und Käse  können sich Kunden an den Frischetheken der Hieber-Supermärkte seit einigen Tagen direkt in Kunststoffbehälter füllen lassen. Für Dieter Hieber ist das ein Schritt, um die Müllberge zu verkleinern, es soll aber nicht der letzte sein.

Von Kristoff Meller
Lörrach. „Natürlich muss alles sauber und hygienisch sein, aber wir möchten Müll reduzieren“, erklärt Hieber. Gerade hochwertige Ware wie Dry Aged Fleisch oder frischer Fisch sollten laut Hieber zeitnah wieder aus der Verpackung genommen und gekühlt gelagert werden. „Das bedeutet, die Plastikfolie oder selbst die kühlenden Taschen für den Fisch  haben eine sehr kurze Verwendungsdauer“, erklärt Hieber.

Zunächst hatte er einen Testlauf im Markt in Bad Krozingen durchgeführt. Dort wurde ein   10 000 Euro teures Gerät angeschafft, das die Behälter der Kunden mittels UV-Licht entkeimte, bevor sie in den Hygienebereich hinter der Frischetheke gelangten, der durch eine Luftschleuse  abgetrennt ist. „Das war ein richtiger Stromfresser und der Vorgang dauerte gut eine Minute“, sagt Hieber.

Dann hatte eine Mitarbeiterin eine viel simplere Idee: Der Kunde stellt seinen Behälter  auf ein zuvor desinfiziertes Edelstahl-Tablett, das ihm über die Theke gereicht wird. Anschließend ermittelt der Mitarbeiter   das Taragewicht, befüllt das Gefäß  und reicht das Tablett wieder über die Theke, ohne das Gefäß zu berühren.  Der Aufkleber für die Kasse wird dem Kunden separat gegeben, da er sich  von den  Boxen nur schwer wieder lösen lässt.

Noch ein zartes Pflänzchen

Die Resonanz der Nutzer sei bislang sehr positiv, allerdings ist die Anzahl überschaubar: „Das ist noch ein zartes Pflänzchen – Momentan sind es in Lörrach vielleicht 20 Kunden am Tag.“ Durch einen Nachlass von zehn Prozent  beim Verzicht auf die Einwegverpackung möchte Hieber die Aktion werblich ankurbeln. Außerdem sind  Vorträge über  nachhaltiges Einkaufen  vorgesehen.

Ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit  im Einzelhandel ist Skandinavien, wo  laut  Hieber viel mehr unempfindliche Waren wie Nudeln unverpackt zum Abfüllen angeboten werden. In Deutschland sei bei solchen Ideen immer viel Angst im Spiel: „Wir müssen zuerst unsere Barriere im Kopf überwinden – als ich  der Edeka-Leitung unsere Idee  vorgestellt habe, haben die die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.“
Mittlerweile tüftelt Edeka Südwest  gemeinsam mit Hieber an weiteren Innovationen. 

Auch mit der Deutschen Umwelthilfe arbeitet er zusammen.  Denn wenn man etwas in diese Richtung unternehme, dürfe es nicht nur „werblich gut klingen“, sondern müsse „wirklich sinnvoll“ sein, so Hieber.  Plastiktüten an der Kasse lässt er derzeit  bereits auslaufen und durch Papiertüten ersetzen. „Das wird in allen Bereichen ein Thema: Wir müssen bessere Lösungen für die Zukunft finden.“

Doch wie ist das im Land der Bürokratie mit den Hygienevorschriften? Das Landratsamt, das von Anfang an eng mit Hieber zusammengearbeitet hat, teilte auf Anfrage mit: „Es gibt keine konkreten lebensmittelrechtlichen Vorschriften, die das Mitbringen von eigenem Geschirr zum Befüllen durch den Verkäufer verbieten.“ Für die hygienisch einwandfreie Umsetzung sei das Unternehmen „vollumfänglich selbst verantwortlich“.  Eine Genehmigungspflicht sehe der Gesetzgeber  nicht vor. Die Aufgabe der Lebensmittelüberwachung sei es,  sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Für hygienisch einwandfreie Umsetzung selbst verantwortlich

Beim Konkurrenten Rewe steht man dem System dennoch skeptisch gegenüber: „So nachvollziehbar der Wunsch sein kann, Behörden und auch der Gesetzgeber sehen  hier Gefahren“, teilte Unternehmenssprecher Thomas Bonrath auf Anfrage mit. Konkret sehe das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen Bedenken „aufgrund des unbekannten Hygienestatus der von Kunden mitgebrachten Behältnisse“. Eine Annahme und Befüllung durch das Personal werde „aufgrund der Verantwortung des Lebensmittelunternehmers und des schwer prüfbaren Hygienezustandes der mitgebrachten Behälter“ daher abgelehnt.

„Die Gefäße  werden von unseren für das neue System geschulten Mitarbeitern vor dem Vorgang begutachtet“, entgegnet Hieber. „Wenn diese verunreinigt sind, werden sie entweder nicht angenommen oder wir waschen  diese in einem speziellen Bereich.“ Um sich „nicht selbst ein Ei zu legen“, lässt Hieber zudem das unabhängige Institut Fresenius quartalsweise Hygienekontrollen in allen Märkten  durchführen.
Allgemein ist der Unternehmer der Meinung, dass man dem Verbraucher „mehr Eigenverantwortung zurückgeben“ muss.  „Was wir machen ist nicht neu, das gab es schon vor 20 Jahren.“ In jüngster Vergangenheit sei der Einzelhandel jedoch immer steriler geworden. „Wir  müssen  wieder zu einem  gesunden Maß an Nachhaltigkeit und Hygiene zurückkehren“ findet Hieber. Das Mehrwegsystem sei ein erster Schritt dorthin.