Seit zehn Jahren wird Inklusion am Chesterplatz im Café-Bistro Glashaus gelebt. Zehn Menschen mit Behinderung arbeiten inzwischen in einem Team mit Fachkräften aus der Gastronomie. Kommende Woche findet das Fest zum zehnten Geburtstag auf dem Chesterplatz (siehe Kurzinfo am Ende) statt. Kristoff Meller hat sich im Vorfeld mit Helmut Ressel, Geschäftsführer der Lebenshilfe, über die Entstehung und Entwicklung unterhalten.

Herr Ressel, mittlerweile gehört das Glashaus fest zum Lörracher Stadtbild, wie kam es zur Idee für das Integrationscafé?

Ressel: Das hat etwas mit der Stadtentwicklung zu tun. Als das Quartier komplett saniert werden sollte, gab es in der heutigen Passage zur Grabenstraße ein Gebäude, das Fritz Berger zu gleichen Teilen der Stadt und dem Landkreis hinterlassen hat. Dieses sollte mithilfe der Fritz-Berger-Stiftung für die Arbeit mit älteren Menschen und Behinderten – also für ein soziales Projekt – genutzt werden. Da das aber im bestehenden Gebäude schwer realisierbar war, wurde es verkauft und der Erlös für ein Projekt im Sinne des Stifters verwendet. Ein solitäres Gebäude zu bauen, wäre zu teuer gewesen, darum war die Teilnutzung des neuen Hochhauses Chesterplatz 9 schließlich die Lösung.   

Und welche Rolle spielte die Lebenshilfe bei diesem Projekt?

Im Jahr 2002 wurden wir angesprochen, uns bei der Entwicklung eines Sozialzentrums, so hieß das damals, einzubringen. Wir wurden als Betreiber ins Boot geholt. Ein Café war dabei von Anfang an Teil der Idee. Im Herbst 2005 wurden dann zunächst Werkstattladen und Infopunkt (heute beim Pflegestützpunkt) eröffnet. Das Café folgte im Mai 2006, nachdem dafür eine eigene Firma als Tochterunternehmen der Lebenshilfe gegründet worden war. Das Konzept sah vor, eine Arbeitsmöglichkeit für Menschen mit Behinderung zu schaffen, gleichzeitig musste das Glashaus aber auch wirtschaftlich Hand und Fuß haben – der Integrationsbetrieb muss sich selber tragen.  

Tut er das?

Seit drei Jahren. Zunächst haben wir aber einen Anschub durch entsprechende Zuschüsse und Darlehen für die Grundausstattung gebraucht. Auch die Miete wurde zunächst angepasst. Man muss aber auch bedenken, dass der Chesterplatz die ersten Jahre eine Sackgasse war. Es gab wenig attraktive Geschäfte und nur wenige Kunden fanden den Weg hierher. Seit der Platz fertig ist und ringsum gute Geschäfte eröffnet haben, ist mehr los. Auch das Restaurant Peja, das für uns Konkurrenz und Ergänzung ist, hat für mehr Leben gesorgt. Es braucht einfach Jahre, bis der Platz erlaufen wird.   

Inzwischen wird das Glashaus aber gut angenommen, oder?

Unser Frühstücks-, Mittags-  und Kaffeeangebot werden inzwischen sehr gut angenommen. Eine Mitarbeit im Projekt kann man aber nicht nur als Job sehen, es ist eine besondere Herausforderung. Dank des tollen Teams um Beate Wagner im Service und Betriebsleiter und Küchenchef Thomas Bossert ist der Betrieb jetzt auch wirtschaftlich angekommen und wir konnten inzwischen die Anzahl der Mitarbeiter mit Behinderung von sechs auf zehn erhöhen. Das hätte ich anfangs nicht geglaubt, aber es ist das Ergebnis der guten Nachfrage und eines sehr kompetenten, sehr strukturierten Teams. Das Geburtstagsfest ist darum auch ein Dankeschön für die Mitarbeiter, die zum Teil seit zehn Jahren mit viel Herzblut dabei sind.   

Wie selbstständig arbeiten die Menschen mit Behinderung in diesem Team?

Das Glashaus ist keine Betreuungseinrichtung in der auch ein bisschen gekocht wird. Der Maßstab ist die umliegende Gastronomie. Die Kompetenzentwicklung, die die Mitarbeiter mit Behinderung gemacht haben, ist jedoch enorm. Man muss aber auch sagen, dass natürlich keiner von ihnen in der Lage ist, den Laden alleine zu schmeißen. Dafür braucht es immer eine Fachkraft, die im Hintergrund
da ist.   

Gerade Gruppen mit Behinderten oder andere soziale Einrichtungen treffen sich regelmäßig im Glashaus und fühlen sich hier wohl.

Das stimmt. Der Behindertenbeirat, der regelmäßig den barrierefreien Mittagstisch bei uns anbietet, kommt beispielsweise sehr oft, und wir haben eine sehr enge Beziehung. Generell zieht es viele Gruppen mit Behinderten oder auch Menschen mit größerem Hilfsbedarf hierher. Das wirkt sich auch nicht negativ auf unseren Ruf aus – die anderen Gäste akzeptieren das. Die Idee ist es, ein barrierefreier Ort für alle zu sein. Deswegen treffen sich hier auch viele Stillgruppen und Familien mit Kindern, die unsere Spielecke nutzen. Gerade für junge Menschen ist das Glashaus eine Chance, in Kontakt mit Menschen mit Behinderung zu kommen. Denn wenn man gesellschaftlich etwas ändern möchte, sollte man von klein auf keine Berührungsängste aufkommen lassen.   

Was für eine Rolle spielen die Schweizer in ihrer Gästestruktur?

Natürlich sind auch für uns die Schweizer Kunden in den letzten Jahren sehr wichtig geworden. Anfangs sind sie hier nicht so angekommen, aber durch Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich das sehr positiv entwickelt. Wir schalten keine Werbung in der Schweiz, aber wir passen sehr gut zu Kunden, die unsere qualitativ hochwertige Ware Wert schätzen und auch gerne bezahlen.   

Welchen Stellenwert hat das Glashaus innerhalb der Lebenshilfe?

Das Glashaus ist mittlerweile so etwas wie das Flaggschiff der Lebenshilfe geworden. Es gibt selten so optimale Möglichkeiten, um Inklusion erlebbar zu machen. Durch den Kundenkontakt mit dem Personal kommt man ins Gespräch und lernt die Menschen kennen. Einige Mitarbeiter, die schon lange hier arbeiten, sind in der Stadt vermutlich bekannter als so mancher Kommunalpolitiker. Oftmals hat man im Alltag kaum Möglichkeiten zu erleben, wie Menschen mit Behinderung sind, hier gibt es einen Einblick in diese Welt.

Kurzinfo: Jubiläumsfest am 4. Juni
Nach dem Jubiläumsempfang für geladene Gäste am Mittwoch, 1. Juni, 19 Uhr, lädt das Glashaus zum Jubiläumsfest alle Interessierten am Samstag, 4. Juni, von 11 bis 17 Uhr auf den Chesterplatz ein. Dort verwöhnen die Partner des Glashauses die Gäste beim Kulinarischen Markt.
Außerdem informieren die Lebenshilfe und Slowfood Lörrach über ihre Arbeit.
Für Kinder gibt es Luftballons und eine Schminkstation. Für musikalische Akzente sorgen Steffi Lais und Mario Enderle (11 bis 12.30 Uhr) sowie „bändisch“ (14 bis 15.30 Uhr). n Mehr Informationen unter www.glashaus-loerrach.de