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Lörrach Eine Währung, die nie an Wert verliert

Die Oberbadische
Gartenarbeit ist eine Leistung, die beim Zukunftsmodell „Zeitbank plus“ angeboten werden kann. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Zukunftsmodell: „Zeitbank plus“ engagiert sich mit Nachbarschaftshilfe in Lörrach

Von Elena Polnau

Einkaufen, Autofahren oder Rasen mähen ist im Alter mitunter gar nicht mehr so einfach. Die Kinder vom Kindergarten abzuholen oder den Haushalt zu regeln, ist hingegen schon als jüngeres Semester nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen. Hilfe für gestresste Eltern und Senioren bietet ein Modell, das nun auch in Lörrach praktiziert wird.

Lörrach. Das Zukunftsmodell „Zeitbank plus“ der „Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen“ gibt es seit zehn Jahren es in Deutschland. Ob Spieleabende, stricken oder Sprachen lernen – Zeitbank plus bietet viele Möglichkeiten, seine Zeit zu tauschen und so seine Lebensqualität auf der Basis von Geben und Nehmen sowie durch die Unterstützung anderer Menschen zu erhöhen.

„Die Zeitbank soll eine Ergänzung zu Sozialdiensten sein, dabei aber flexibler und persönlicher als die Institutionen. Die Menschlichkeit steht hier im Vordergrund und der Gedanke, dass jeder Mensch, in jedem Alter gleich viel wert ist“, erklärt Gabi Vögtlin, Vorsitzende des Lörracher Zeitbank-Vereins. „Somit kann der Lebenswert nicht nur gehalten, sondern sogar erhöht werden. Oftmals haben ältere Menschen nur wenig Geld zur Verfügung, deshalb kann durch den Zeittausch das gewohnte soziale Umfeld so lange wie möglich beibehalten und sogar neue Kontakte durch den Verein geknüpft werden.“

Das System basiert auf Schecks, mit denen alle Mitglieder ihre eingesetzten Stunden tauschen können. Zudem sind sie während der Tätigkeiten versichert. „Es ist wichtig, dass die Leistungen vermerkt werden, auch wenn die Stunden nicht zurückgetauscht werden. So sehen die Mitglieder, was sie das Jahr über geleistet haben“, bemerkt Vorstandsmitglied Hartmut Schmidt.

Auf dem Stundenkonto von Neumitgliedern sind zu Beginn fünf Stunden gutgeschrieben, dabei gilt: Eine Stunde ist eine Stunde, egal ob eine Arbeit körperlich anstrengender ist als eine andere. „Eine Währung, die nie ihren Wert verliert“, erklärt Schmidt.

Plattform dient als Vermittler zwischen den Nutzern

Die Plattform dient als Vermittler, es gibt einen Katalog im Internet oder in gedruckter Form, in dem alle Tätigkeiten vermerkt sind. Die Mitglieder erstellen sich dort eine Art Profil mit einem Steckbrief und ihren Fähigkeiten und Angeboten.

Die monatlichen Treffen bieten den Raum, die anderen Mitglieder schon im Voraus näher kennenzulernen, so dass man gegebenenfalls nach Sympathie auswählen kann, wen man für welchen Dienst aussuchen möchte. Außerdem ist man nicht an einzelne Personen gebunden. Verbringt man Zeit mit jemandem, so muss die Gegenleistung nicht bei der selben Person erfolgen.

Anfangs richtete sich die Zeitbank laut Vögtlin vor allem an die älteren Generationen, die sich gegenseitig helfen sollten. Dieses Konzept wurde jedoch überarbeitet, denn gerade junge Leute können Senioren helfen und umgekehrt genauso. „Viele alte Menschen denken, dass sie nichts mehr geben können und anderen eine Last sind. Oftmals sind es jedoch Kleinigkeiten, die anderen eine Freude machen. Letzens bot eine ältere Dame beispielsweise an, Plätzchen für die Monatsversammlung zu backen. Das fanden alle toll, dadurch bekam die Dame das Gefühl, gebraucht zu werden“, berichtet Vögtlin.

Wenn Menschen aus gesundheitlichen Gründen nichts mehr anbieten können, gebe es in Ausnahmefällen auch die Möglichkeit, Stunden zu kaufen: „Es würde unserem Leitbild widersprechen, diese Menschen aus dem Verein zu werfen, da jeder bis zum Schluss wertvoll ist und wir dieses Gefühl vermitteln wollen“, erklärt Schmidt. „Trotzdem versuchen wir alle Fähigkeiten aus den Menschen herauszukitzeln und verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, die Menschen in das Konzept zu integrieren.“ Außerdem sei der Verein nicht an Teilnehmerzahlen gebunden – hat jemand einen Vorschlag für eine Unternehmung, kann diese auch nur zu zweit stattfinden. So könne man die Personen sogar besser kennenlernen und Beziehungen aufbauen.

Eine Spielegruppe habe sich bereits im Verein zusammengefunden, danach bekomme die Vorsitzende immer viel positive Resonanz: „Viele alte Menschen suchen die Gemeinschaft und sind froh bei den Spieleabenden so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Das hat mich tief berührt, wie fremde Menschen zusammen finden.“

Inzwischen bereits 36 Mitglieder in Lörrach

Der Verein selbst sei noch in der „Lernphase“ und habe mittlerweile 36 Mitglieder in Lörrach. Das Durchschnittsalter liege im Moment noch bei über 40 Jahren, Ziel sei es jedoch, auch junge Leute und Familien für den Verein zu gewinnen, so Vögtlin.

Seit November werde die Zeitbank auch vom Landkreis mit Fördergeldern unterstützt: „Eine Vision von uns ist es, sich Zeit fürs Alter ansparen zu können und die Zeitbank als vierte Säule der Altersvorsorge zu etablieren“, bemerkt Schmidt.

Mitgliederbeiträge oder Schnupperstunden können auch als Gutscheine verschenkt werden, sagt Vögtlin. „Was gibt es schöneres als Zeit geschenkt zu bekommen?“

Weitere Informationen: Die nächste öffentliche Monatsversammlung findet am Montag, 18. Januar, 19 Uhr, in den Räumen der Udo-Kunz-Stiftung in Hauingen statt. Alle Interessierten sind eingeladen, eine Anmeldung ist erwünscht. Weitere Informationen bei Gabi Vögtlin Tel. 07621/495 75 oder per E-Mail an voegtlin@ kabelbw.de.

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