Lörrach Erst Hecker, dann Struve, dann Neff

Die Oberbadische
Hubert Bernnat erzählt lebhaft von den revolutionären Geschehnissen im Lörrach des 19. Jahrhunderts.                                                               Foto: Dennis Kalt Foto: Die Oberbadische

„Tag der Demokratie“: Lerchenstadt war drei Mal innerhalb von zwei Jahren Schauplatz einer Revolution

Von Dennis Kalt

Lörrach. Mit lebhafter Gestik und originärem Wortlaut verkündet Hubert Bernnat vor etwa 50 Menschen die Parolen von Friedrich Hecker und Gustav Struve, die bereits 1848/49 über Lörracher Boden erklangen. Am „Tag der Demokratie“ (wir berichteten) folgen dem Lörracher Historiker und seine Zuhörer den Spuren der badischen Revolutionäre in der Stadt und blickten tief in die Historie einer stürmischen Zeit.

„Lörrach hat aufgrund seiner Grenzlage eine bedeutende Rolle in den drei badischen Revolutionen gespielt“, erzählt Bernnat und ergänzt, dass die Lerchenstadt damals der einzige Ort mit städtischen Charakter in Baden gewesen sei. Da der Personenverkehr an den Staatsgrenzen 1848 noch nicht durchgängig überwacht wurde, bot die Grenznähe zum liberalen Frankreich und zum Kanton Basel-Landschaft eine gute Fluchtmöglichkeit für die freisinnigen politischen Aktivisten.

Flucht ins Ausland

„Friedrich Hecker, Gustav Struve, Georg Herwegh – sie alle konnten sich durch die Flucht ins Ausland einer Strafverfolgung entziehen“, schildert Bernnat. Ebenso sei die Schweiz genutzt worden, um Flugblätter und Bücher zu drucken und nach Baden einzuschleusen. Grund hierfür war die damalige Zensur in Baden.

Der erste der insgesamt drei badischen Aufstände fand seinen Ausgangspunkt Anfang März 1848: Eine Petition mit demokratischen Forderungen wie Volksbewaffnung, Pressefreiheit und der Herstellung eines deutschen Parlamentes wurde von 2200 Lörrachern unterzeichnet und von einer 190 Mann starken Abordnung an die Zweite Badische Kammer in Karlsruhe überreicht. Ebenso beschloss der Lörracher Gemeinderat zeitgleich die Aufstellung einer 400 Mann starken Bürgerwehr. „800 Freischärler zogen unter der Führung von Joseph Weißhaar am 20. April in Lörrach ein, doch nur vier Bürger schlossen sich dem anti-monarchischen Zug an“, schildert Bernnat.

Der revolutionäre Zug löste sich auf, als dieser auf die flüchtenden Männer von Hecker getroffen war, die auf der Scheideck von den hessisch-württembergische Truppen angegriffen wurden.

Der zweite Aufstand wurde unter Führung von Gustav Struve von Basel nach Lörrach getragen. „Struve proklamierte am 21. September 1848 die Deutsche Republik vom alten Lörracher Rathaus aus und machte die Lerchenstadt damit für dreieinhalb Tage zum vorläufigen Regierungssitz“, berichtet Bernnat. Der Revolutionsführer habe hier die „Rede an das deutsche Volk abgehalten“, in der er „Freiheit, Bildung und Wohlstand“ versprach. Zugleich habe Struve dem Gemeinderat im Sitzungssaal die Einführung der Zwangsrekrutierung befohlen und die Stadtkasse eingenommen.

Um seine Forderungen unter den Lörrachern zirkulieren zu lassen, beschlagnahmte er die Druckerei Gutsch – heutiger Ort der Galleria Mendini – und brachte am 22. September das erste Republikanische Regierungsblatt heraus.

„In einer Zeit ohne Internet, Fernsehen und Radio waren die zahlreichen Gasthäuser die Zentren des politischen Lebens“, erklärt der Historiker und ergänzt, dass man an dem bevorzugten Wirtshaus eines Bürgers seine politische Identität hätte festmachen können. Das bedeutendste Lörracher Gasthaus der damaligen Zeit war der „Hirschen“ – heutiger Standort von Karstadt – in dem die Freisinnigen rege ihre politischen Ideen austauschten.

Wirt des „Hirschens“ wurde 1846 der linksliberale Politiker Markus Pflüger, der 1948 Hauptmann der Bürgerwehr war und Struve bei seinem Putsch zur Seite stand.

Todesurteil für Neff

Die 1755 gebaute Tabakfabrik – Standort des heutigen Dreiländermuseums – wurde bereits sechs Jahre später zum Pädagogium und Gymnasium umfunktioniert. Da eine höhere Bildung sehr teuer war, konnten nur Kinder aus gut betuchten Elternhaus das Pädagogium besuchen. Einer der Schüler, war der an allen drei Revolutionen beteiligte Friedrich Neff. Der Sohn eines Küfermeisters aus Rümmingen war großer Sympathisant von Struve und führte den dritten Aufstand an. Dieser startet am 11. Mai 1849 in Lörrach mit einer Soldatenmeuterei. Das Amtsgebäude wurde besetzt und der Gefängnisturm, indem viele liberale Revolutionsanhänger ihr Dasein fristeten gestürmt.

„Neff ist es nicht gelungen, genügend Lörracher Kräfte zu mobilisieren. Er und seine Verbündeten wurden von den einmarschierenden preußischen Truppen vernichten geschlagen“, berichtet Bernnat. Schließlich wurde Neff verhaftet, verurteilt und standrechtlich erschossen.

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