Lörrach Fakt und Fiktion vermischt

Die Oberbadische
Eveline Klein überzeugte in ihrer Rolle der radikalen Sozialistin Rosa Luxemburg. Foto: Sara Berg Foto: Die Oberbadische

Historischer Stadtrundgang anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der SPD / Stickelberger spielt Willy Brandt

Von Sara Berg Lörrach. „Es lebe die Deutsche demokratische Republik“, ruft Gustav Struve und erntet dafür enthusiastischen Applaus. Ein historischer Stadtrundgang im Rahmen des 150-jährigen Jubiläums der SPD machte am Samstag die Geschichte Lörrachs erfahrbar.

Es ist eine Mischung aus Fiktion und Fakten, aus Witz und Ernst, die Hubert Bernnat, Organisator des Stadtrundgangs und passionierter Historiker, seinen Figuren in den Mund legt. So beschwert sich etwa Gustav Struve (Michael Hitz) noch vor seiner Ausrufung der Republik über den fehlenden Balkon.

Struve am Fenster statt auf dem Balkon

Was am Samstag für großes Gelächter sorgte, ist keineswegs weit hergeholt: Während heute viele annehmen, dass die Republik am 21. September 1848 vom Balkon des Alten Rathauses ausgerufen wurde, wurde dieser erst gut 15 Jahre später angebaut. Obwohl Struve sich wohl kaum darüber beschwert haben mag, er musste die Rede aus einem Fenster des ersten Stockwerks halten – und soll sich dabei den Kopf angeschlagen haben.

Die gelungene Mischung aus Fakt und Fiktion ist es auch, die den Zuhörer einsaugt in die Vergangenheit, Authentizität herstellt, trotz vorbeirauschender Züge und Straßenlärm. Ein unbekannter Arbeiter (Momme Spinder) nimmt ihn mit in das Jahr 1923, erzählt von der Inflation, von Arbeiterunruhen und Verbitterung.

Vor dem Lörracher Rathaus wird Arend Brayes (Hans-Dieter Böhringer) Ruf nach Neuordnung nach dem Nazi-Regime mit frenetischem Beifall belohnt. Am Senigallia Platz nimmt Paul Wassmer kurz darauf die Zuhörer noch einmal mit zurück in die Nazi-Zeit. Als Paul Herbster erzählt er, wie das Regime 1933 die Gewerkschaftshäuser besetzte.

Ein weiterer rückwärtiger Zeitsprung am Markgräfler Hof: Achteinhalb Jahre vor ihrer Ermordung, am 11. September 1910, sprach hier die Sozialistin Rosa Luxemburg. „Denn was ist eigentlich grundsätzliche Opposition“, schmettert Eveline Klein in ihrer Rolle überzeugend. „Es ist eben nichts anderes als Widerstand auch dort, wo wir noch nicht die Macht haben, die Verhältnisse zu ändern.“

Vor dem Karstadt-Gebäude, damals noch der „Hirschen“, warnt August Bebel (Jost Noller), von 1892 bis 1913 Vorsitzender der SPD, seine Parteigenossen vor faulen Kompromissen. Fast 80 Jahre später – und nur wenige Meter entfernt – spricht Deutschlands erster sozialdemokratischer Bundeskanzler Willy Brandt (Rainer Stickelberger) über die Ostverträge. „Die Geschichte darf nicht zu einem Mühlenstein werden, der uns niemals aus der Vergangenheit entlässt“, sagt er - und entlässt damit auch sein Publikum zurück in die Gegenwart. u  Siehe auch Berichterstattung auf der Regioseite.

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