Lörrach Gedenken mit dem Smartphone?

Die Oberbadische

Grüne regen „Virtuelle Stolpersteine“ für nichtjüdische Opfer des Nazi-Regimes an

Von Kristoff Meller

Lörrach. Seit drei Jahren erinnert eine Stele in der Teichstraße an die jüdischen Opfer des Nazi-Regimes in Lörrach. Doch es gab auch mindestens 60 nichtjüdische Opfer, die bislang nicht öffentlich erwähnt werden. Der Gemeinderat hat sich im Dezember für eine zentrale Gedenkform ausgesprochen, die Fraktion der Grünen bringt nun „Virtuelle Stolpersteine“ nach dem Vorbild einer Schülerinitiative aus Villingen-Schwenningen als Ergänzung ins Gespräch.

„Ich verstehe die Erinnerungsarbeit als einen permanenten Prozess – er ist nie abgeschlossen“, erklärte Grünen- Stadtrat Gerd Wernthaler gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Er und seine Fraktion waren bereits die Initiatoren für die Stolpersteine zum Gedenken an die jüdischen Opfer. Die beschrifteten Steine, welche schon in zahlreichen Städten Europas vorhanden sind, werden in den Boden eingelassen und verweisen mit Namen auf den ehemaligen Wohnort des Opfers.

Dieser Vorstoß wurde durch die Israelitische Kultusgemeinde Lörrach allerdings abgelehnt. Die Gemeinde wollte nicht, dass die Opfer der Gewaltherrschaft im übertragenen Sinne erneut mit Füßen getreten werden. Nun erinnert die Stele in der Teichstraße an die jüdischen Opfer.

Dass die jüdische Gemeinde sich gegen die Verlegung von Stolpersteinen ausgesprochen hat, respektiert Wernthaler. Grundsätzlich sei es jedoch wichtig, dass in Lörrach der Verfolgung und des Widerstandes während des Dritten Reichs gedacht und dies auch künftigen Generationen vermittelt werde.

Ähnlich war die Sachlage in Villingen-Schwenningen, wo sich der Gemeinderat ebenfalls gegen die Stolpersteine aussprach. Die beiden Gymnasiasten Felix Flaig und Johannes Hebsacker initiierten daraufhin auf eigene Faust das Projekt „Virtuelle Stolpersteine“ auf der Internetseite www.virtuellestolpersteine.wordpress.com. In der Nähe der ehemaligen Wohnorte der deportierten Juden brachten sie kleine Aufkleber mit dem Stadtwappen, dem Davidstern und einem QR-Code für Smartphones an.

Mit diesem Code werden die Passanten über das Internet direkt zur Seite der beiden Schüler geleitet, wo ausführliche Informationen zu den jeweiligen Opfern abrufbar sind. Das Projekt hat inzwischen viel positiven Zuspruch aus der Bevölkerung und ein großes Medienecho hervorgerufen.

Gerd Wernthaler könnte sich ein vergleichbares Projekt in Kooperation mit Lörracher Schulen auch zum Gedenken an die nichtjüdischen Opfer der Lerchenstadt vorstellen, für die derzeit noch eine geeignete Form des Gedenkens gesucht wird.

Denn die Forschungsarbeit von Dr. Robert Neisen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Lörrach hat deutlich gemacht, dass auch viele nichtjüdische Personen in Lörrach Opfer der Gewaltherrschaft des Naziregimes wurden. Der Gemeinderat hat darum für den diesjährigen Haushalt 7000 Euro für weitere Forschungen durch Robert Neisen beantragt, bevor über Art und Ort einer Gedenkstätte entschieden werden soll.

Die Mehrheit des Gremiums hat sich bereits für eine ähnliche Form wie in der Teichstraße ausgesprochen, die Grünen erneuerten hingegen ihren Stolperstein-Vorschlag. Die virtuellen Stolpersteine nach dem Vorbild von Villingen-Schwenningen sollen nun die „anstehende Debatte bereichern“, erklärte Wernthaler. Die virtuelle Gedenkform mit Hilfe des QR-Codes sei ideal „um jüngere Menschen anzusprechen“ und könne eine „gute Ergänzung“ sein. Ein Vorteil sei außerdem die Möglichkeit, die Informationen im Internet nachträglich ergänzen zu können, falls neue Forschungsergebnisse vorliegen.

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