Lörrach Gefesselt von der virtuellen Welt

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Serie "Treffpunkt ab 50" - Teil 2: Auch im Alter noch fit am Computer

Von Sarah Trinler

Der "Treffpunkt ab 50" im Alten Rathaus beschäftigt sich mit dem Potenzial von Senioren und fördert das Miteinander der Generationen in der Stadt. In einer Serie stellen wir einige der Kursangebote vor. Nach einem Interview mit der Treffpunktleiterin Renate Riemensperger zum Auftakt widmen wir uns in dieser Folge dem "Computer-Treff".

"Gibt's hier etwas umsonst oder warum stehen hier so viele", fragt ein Mann scherzhaft. Ein Gruppe von Damen und Herren zwischen 60 und 80 Jahren steht um einen Laptop herum und rauft sich die Haare. Mit vereinten Kräften wird hier versucht, einer Frau bei einem PC-Problem zu helfen. Beim "Computer-Treff" sind alle mit Herzblut dabei, keiner verlässt den Raum, bevor die Lösung nicht gefunden ist.

Die Frau ist leidenschaftliche Gedichteschreiberin und hat vor etwa zehn Jahren damit begonnen, ihre Verse nicht mehr auf der Schreibmaschine, sondern am Computer in ein Word-Programm zu tippen. "Das ist so praktisch, besonders die Löschfunktion", sagt die 72-Jährige. Auch der im Laptop integrierte Brenner ist eifrig in Gebrauch - für interessierte Bekannte und Freunde, welche die mittlerweile zahlreichen selbst geschriebenen Gedichte auf CD haben möchten.

Doch wie das mit der Technik so ist, macht sie auch ab und zu, was sie will. Heute ist etwas mit der Formatierung durcheinander gekommen: An den Anfang einiger Zeilen hat sich ein Zeichen eingeschlichen, das sich nicht mehr löschen lässt. Die Frau wusste sich nicht mehr zu helfen, hat sich ihren Laptop unter den Arm geklemmt und ist ins Alte Rathaus gekommen, wo immer montags der "Computer-Treff" im Rahmen des Programms "Treffpunkt ab 50" stattfindet.

"Einer aus dem PC-Lotsen-Team hat immer eine Idee"

"Ich kann nicht alles wissen, aber einer aus dem PC-Lotsen-Team hat eigentlich immer eine Idee", sagt Josef Kammerer, der den "Computer-Treff" seit fünf Jahren leitet. Ihm zur Seite stehen sieben weitere Kollegen. "So ist immer jemand da, und wir können auch voneinander lernen", erklärt Kammerer.

Während die anderen Kollegen weiter an dem Word-Problem tüfteln, widmet sich der Kursleiter einem 80-Jährigen Besucher, der begeisterter Hobbyfotograf ist, und seine Fotos an einem PC-Programm nachbearbeitet. "Die Digitalisierung hat Vor- und Nachteile mit sich gebracht. Heute fotografiere ich wie wild drauf los - es muss ja nicht mehr jeder Schuss ein Treffer sein", sagt der Hobbyfotograf.

Heute möchte er auf seinem Laptop lernen, wie ein Freisteller funktioniert, also die Befreiung eines Motivs von einem störenden Hintergrund. Geduldig erklärt Kammerer, wie das geht und auf was man achten muss. "Es ist von Vorteil, wenn die Besucher ihre eigenen Geräte mitbringen. Bei einem fremden PC sind Kleinigkeiten wieder anders eingestellt oder sehen anders aus, und so haben gerade ältere Leute Probleme, sich zurecht zu finden", sagt Kammerer, während der Hobbyfotograf langsam den Mauszeiger am Bildausschnitt entlang fährt.

Am Tisch nebenan richtet ein PC-Lotse einer Frau eine E-Mail-Adresse ein. Letzte Woche hat er einer älteren Dame beim Auktionsverkauf im Internet geholfen - und prompt hat sie ihren Wohnwagen für gutes Geld noch verkaufen können. Auf der anderen Seite des Zimmers wird wiederum ein Mann beim Smartphone-Kauf beraten. Man sieht die Vielschichtigkeit von Computer und Internet und wie unterschiedlich die Anliegen der Kursbesucher sind. "Wir helfen, wo wir können", so ein PC-Lotse, bei dem das Tüfteln am PC im Ruhestand zum Hobby geworden ist. "Ein Hobby, das es in den 80er-Jahren noch gar nicht gab."

Auch Tipps zum Smartphone-Kauf

"Ich hab's", ruft es aus der anderen Ecke. Das Problem der Word-Formatierung, das heute jeden beschäftigt hatte, wurde gelöst. Das Programm hatte sich eine nicht gewollte Einstellung gemerkt und dann über einige Zeilen fortgeführt. Glücklich klappt die Gedichteschreiberin ihren Laptop zu. Genug in den PC gestarrt für heute. Gemeinsam gehen alle nun in den gegenüberliegenden Forum-Raum, gönnen sich einen Kaffee und lauschen dem Montagsvortrag, der im Anschluss an den Kurs stattfindet.

Moment, einer aus der Gruppe fehlt doch: Es ist der Hobbyfotograf, der wie gefesselt immer noch vor seinem Laptop sitzt und sich am Freisteller versucht. Die Faszination der Computerwelt kann also jeden packen - egal welchen Alters.

ZUR PERSON

Kursleiter Josef Kammerer, gelernter Industriemeister aus Brombach, ist über seinen Beruf mit dem Computer in Berührung gekommen. Excel-, Word- und MS Office-Programme waren sein Feld. Der heutige Rentner leitet den „Computer-Treff“ seit über fünf Jahren. „Ich war also von Anfang an dabei“, sagt der 65-Jährige.

KURZINFO

Der „Treffpunkt ab 50“ ist eine Einrichtung der Stadt Lörrach, die seit 1999 ein vielseitiges Programm für Senioren anbietet und zum Ziel hat, „Begegnung zu ermöglichen“, um den Verlust an Kontakten mit zunehmendem Alter auszugleichen.

Inzwischen haben sich im Treffpunkt über 30 Interessengruppen gebildet, die   von über 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern geleitet werden. Die Räume für die Veranstaltungen befinden sich im Alten Rathaus (VHS-Gebäude). Der Eintritt in eine Gruppe ist jederzeit möglich.

Das Programmheft erscheint vier Mal jährlich. Das neueste ist am 15. Juli erschienen und liegt in den städtischen Einrichtungen aus oder kann  im Internet unter   loerrach.de/seniorenarbeit eingesehen werden.

Kontakt: Renate Riemensperger, Tel. 07621 / 956 73 50, E-Mail seniorenarbeit@loerrach.de</p>

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