Lörrach Gegen das Vergessen

Die Oberbadische
Ein Gedenkstein erinnert in Lörrach an die Deportation der Lörracher Juden. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Stellungnahme: SPD kritisiert AfD-Antrag zu Gurs-Fahrten

In einer Stellungnahme äußert sich Hubert Bernnat für die SPD-Fraktion im Gemeinderat zur Forderung der AfD im Landtag, Zuschüsse für die Fahrt zur Gedenkveranstaltung in Gurs zu streichen.

Lörrach. „Man erinnere sich: Am 22. Oktober 1940 mussten fast alle noch in Baden und der Pfalz lebenden Juden in einer streng geheimen, aber gut vorbereiteten Aktion innerhalb kürzester Frist wenige Habseligkeiten zusammenpacken. Gnadenlos wurden die zumeist älteren, oft kranken und gebrechlichen Menschen zum Abtransport gezwungen. Am helllichten Tag wurden so über 50 jüdische Mitbürger Lörrachs, alle deutsche Staatsbürger, und einige wenige aus umliegenden Orten zum Sammelplatz auf den Marktplatz gebracht. Von dort aus wurden sie in drei Lastwagen nach Freiburg transportiert und dort mit rund 350 anderen Leidensgenossen in einem Transportzug zusammengedrängt“, erinnert Bernnat an die Deportation.

„Die aus Baden und der Pfalz deportierten Juden wurden ins Lager nach Gurs am Fuße der Pyrenäen gebracht. Nach vier Tagen Eisenbahnfahrt unter furchtbaren Bedingungen erreichten die Deportierten Gurs, diesen ’Ort der Hoffnungslosigkeit’.

Alljährlich fährt die Arbeitsgemeinschaft der badischen-pfälzischen Gemeinden, aus denen jüdische Mitbürger deportiert worden waren, nach Gurs. An diesen Fahrten nehmen neben Offiziellen auch Schüler teil. Ich kann aus eigenem Erleben nur sagen: Sie waren jedes Mal tief beeindruckt, wie ein Staat, der sich aus einem furchtbaren Verbrechersystem zu einer Demokratie entwickelt hat, mit dem Erinnern an dunkle Seiten der eigenen Geschichte umgeht. Es hat ihr Deutschlandbild positiv verstärkt.

Nun hat die Fraktion der AfD im Landtag einen Antrag gestellt, Zuschüsse für die Fahrt zur Gedenkstätte nach Gurs komplett zu streichen. Vordergründig sollte es um die Haushaltskonsolidierung gehen. In Wahrheit steckt dahinter, die vom Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke geforderte erinnerungspolitische Wende und das Ende der ’dämlichen Bewältigungspolitik’.

Die AfD in Baden-Württemberg hat durch einen zweiten Antrag auch gefordert, in Zukunft statt Fahrten zu Gedenkstätten des nationalsozialistischen Unrechts nur noch Fahrten zu bedeutsamen Stätten der deutschen Geschichte zu fördern. Dies sei auch deshalb wichtig, damit den vielen Migranten ein positives Deutschland-Bild vermittelt werde. Wie zynisch ist es für eine Partei, die möglichst keine Migranten im Land haben will, sich um deren positives Deutschlandbild zu sorgen? Das ist für mich ein klarer Fall politischer Heuchelei.

Nun kann man immer darüber sprechen und diskutieren, wie Erinnerung an die Geschichte gestaltet wird. Nur noch ritualisierte Gedenktage verlieren ihren Sinn. So hat die Stadt auch vor vielen Jahren begonnen, den Volkstrauertag mit Schulen zu begehen und ihm so einen neuen Sinn zu verleihen. Seit zwei Jahren wird nun der ’Tag der Demokratie’ begangen, der an die Ausrufung der Republik im Jahre 1848 erinnert. Überall wird dem Beginn der Reformation vor 500 Jahren gedacht. Und die Gemeinden Binzen, Rümmingen, Eimeldingen, Wollbach und Haltingen feiern zurecht ihre erstmalige Erwähnung vor 1250 Jahren.

Offenes und nicht tabuisiertes Erinnern an die Geschichte und Beschäftigung mit der Geschichte ist zentral für das kollektive Gedächtnis einer Nation. Überall, wo das nicht geschieht oder von der Politik verboten wird, hat das furchtbare Konsequenzen. Es gibt keinen Grund, jetzt den Fahrten nach Gurs die Unterstützung zu entziehen. Auf dem Friedhof in Gurs ist auf sechs Grabsteinen als Geburtsort Lörrach eingemeißelt: Walter Beck, Rosa Bensinger, Samuel Beck, Bertha Bloch, Flora Kaufmann, Emma Weil. Es waren deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens. Ihr Leben und ihr Tod sind Teil unserer Geschichte. Die SPD-Fraktion im Gemeinderat wird alles daran setzen, und hier wissen wir uns mit unseren Kollegen im Einklang, dass Fahrten nach Gurs auch weiterhin unterstützt werden. Diskutieren kann man immer darüber, auf welche Art dort das Erinnern stattfindet.

Es ist schade, dass sich Wolfgang Fuhl, den ich als Vorsitzenden des Oberrats der Israelitischen Gemeinde in Baden geschätzt habe, hier innerhalb der AfD nicht deutlich gegen Tendenzen wehrt, die eindeutig rechtsnationalistischen und antisemitischen Charakter haben.“

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