Lörrach Hintergründig und echt

Die Oberbadische
Unaufgeregt authentisch: Martina Schwarzmann Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Martina Schwarzmann mit „Gscheid gfreid“ im Burghof

Von Willi Vogl

Lörrach. „Der Onkel Willi ist auch so dick“, bemerkte Martina Schwarzmann nach einem Familientreffen zu ihrem Mann und löste damit einen Ehekrach aus. Schließlich fühlte sich der Mann durch das vergleichende „auch“ angegriffen. Leichtfertig Dahergesagtes und verbale Alltäglichkeiten bilden den szenischen Rohstoff für das inzwischen sechste Bühnenprogramm „Gscheid gfreid“ der bayerischen Kabarettistin. Die mit gewichtigen Preisen ausgezeichnete Künstlerin füllt inzwischen auch große Säle. Der Burghof war ausverkauft.

Wer muttersprachlich im ländlichen Bayern aufgewachsen ist, hätte feststellen können, dass die gitarrenbegleiteten und skurril gereimten Geschichten aus dem echten Dorfleben gegriffen sind. Auf der Bühne schwingt der gelebte Hintergrund der Kabarettistin mit und ihre Präsentation hört sich wie der tägliche Schwatz mit der Nachbarin an. Schwarzmann geht jedoch dem Hinter- und Zwischensinn der Worte auf den Grund. Die feinen Überspitzungen und vor allem die Artikulation von ansonsten unausgesprochenen Gedanken spiegeln allgemeine Befindlichkeiten wieder. Der Zuhörer fühlt sich dabei kritisch ertappt. Er muss sich jedoch nicht outen, sondern kann sich am Outing der Bühnenperson amüsieren.

So spricht sie bei einem Gratulationsgedicht an die betagte Tante aus, was zwischen den Zeilen steht: „Und solltest du dann sterben, dann würden wir gern erben.“ Mit Familienthemen erzeugt sie starke Wirkungen: „So wie andere die alte Lederjacke ihres Vaters auftragen, so trägt mein Cousin Bernie dessen alten Zoten auf.“ Von Tante Helga und ihrem Mann sagt sie: „Die haben sich verheiratet. Er bekommt nur ein Bier am Tag, bräuchte aber mehr, um die Ehe zu ertragen.“ Die Beschimpfungen, die sie zwischen beiden wahrnimmt seien zwar unangenehm, aber interessant.

In der Erziehung ihrer Kinder treten gewisse Gewöhnungseffekte ein. So störe es sie nicht mehr, wenn sie das Essen auf den Fußboden verteilen. Das wischt sie nur noch bei größeren Mengen weg, ansonsten könnten die Kinder ihre Abwesenheit über dem Tisch ja ausnutzen. Zwangsläufig käme sie mit anderen Müttern zusammen und wundere sich über die perfekte Ordnung in deren Häusern. Da würden sogar Unterhosen gebügelt. Sie hingegen kaufe nur welche in einer Größe, dass sie glatt sind, wenn man sie anhat.

Schwarzmann räumt mit dem Märchen vom Multitasking auf. Spätestens wenn man beim Wäscheaufhängen merkt, dass die überkochende Milch den Herd mit einer schwarzen Kruste überzieht und man den Rest des Tages mit dessen Reinigung verbringen muss, sollte man sich überlegen, ob mit dem Multitasking tatsächlich eine Zeitersparnis verbunden ist.

Haushaltstipps und das Thema männlicher Hilfe nehmen viel Raum ein. Sie hätte es mit ihrem Mann gut getroffen. Der zündet zwar den Offen nur deshalb an, weil er befürchtet, dass seine Frau das nicht richtig macht, aber immerhin macht er was. Anschließend steht er noch eine halbe Stunde davor, um zu schauen, dass es ordentlich brennt. Der Mann ihrer Freundin hingegen mache gar nichts, sodass die inzwischen für ihn die Pflegestufe beantragt habe.

Für viele Menschen beginnt die Ausländerfeindlichkeit bereits vor der eigenen Haustür. Neulich fragte ihrer Oma den polnischen Nachbarn, ob sein Vater „auch als Pole arbeite“. Gerade in solch alltäglichen Geschichten kommt der Lacher oft unvermittelt um die Ecke. Schwarzmanns Pointen sind doppelbödig. Da wo sie platt sind, wie etwa bei den Bandwürmern, die zur Darmspiegelung trainiert werden sollen, nutzt Schwarzmann deren Plattheit zur kabarettistischen Verdichtung: „Sie haben fürs Lachen ja Eintritt bezahlt. Je mehr sie lachen, desto billiger werden die Witze.“

Schwarzmann zeigte sich unaufgeregt authentisch, beinahe wie im richtigen Leben. Aber eben nur beinahe. Genau dieser Unterschied führte beim begeisterten Publikum zu intelligenter, tiefgründiger Unterhaltung, eben zu „gescheiter Freude“.

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