Von Kristoff Meller und Bernhard Konrad
Lörrach. Mit dem größer werdenden Flüchtlingsstrom wächst auch die Zahl der  Kinder in Lörrach. Diese sprechen in der Regel kein Deutsch, sind aber im entsprechenden Alter nach spätestens sechs Monaten  schulpflichtig. Die Stadt verteilt sie auf Kindergärten und Schulen. Indes: Sie kann derzeit nur reagieren und nicht agieren.

Bürgermeister Michael Wilke weiß um die schwierige Lage, die alle Beteiligten intensiv fordert. Zwar würden für Kinder unter drei Jahren  in der Regel keine Plätze von Flüchtlingen nachgefragt, weil dies nicht dem kulturellen Hintergrund der Menschen entspreche. Bei  Kindern ab drei Jahren steigt jedoch auch das Interesse der Stadt, dass diese „an unsere  Kultur und Sprache“ herangeführt werden. Dieser Weg soll zudem durch die Arbeit der Stadteileltern geebnet  werden.

Von der Organisation der Vorbereitungsklassen (siehe Kurzinfo am Ende) für die Grundschulen  sei die Stadtverwaltung zwar nicht unmittelbar betroffen, indes betont Wilke ausdrücklich deren Bedeutung: „Es hilft auch den Familien, wenn Kultur und Sprache in sie hinein getragen werden.“

Noch kein endgültiges Konzept gibt es für ältere Kinder, die längst schulpflichtig sind, aber keine Deutschkenntnisse besitzen. Derzeit werden  Gespräche  mit anderen Kommunen und dem Städtetag geführt, um die Informationsbasis zum Umgang mit dieser  Situation zu verbessern.

„Die Zuweisung der Flüchtlinge erfolgt sehr dynamisch und wechselt schnell, das macht die pädagogische Arbeit nicht einfach“, erklärt Joachim Sproß, Fachbereichsleiter Jugend, Schulen und Sport. „Wir wissen nicht, wie viele Kinder uns zugewiesen werden, aber wir wollen, dass sie möglichst schnell eine Schule respektive Kindergarten besuchen.“ Gleichzeitig müsse man die Kinder „mit Bedacht behandeln“, da die meisten in ihrer Heimat oder auf dem Weg nach Deutschland „viel erlebt“ hätten, so Sproß.

„Ich will auch Deutschland sein“

Erst am Donnerstag wurden an der Neumattschule drei neue Flüchtlingskinder aufgenommen, wie Petra Sauer, Rektorin der Hellbergschule und derzeit auch kommissarische Leiterin der Neumattschule,  im Gespräch mit unserer Zeitung berichtete. „Da ist momentan ganz viel Bewegung drin“, bestätigt Sauer. Inzwischen werden laut Sauer an beiden Schulen in der Primar- und Sekundarstufe Flüchtlingskinder in Vorbereitungsklassen  unterrichtet. „Es wird sehr spannend, wie sich das entwickelt.“ Vor allem die Hellbergschule werde wohl „stark frequentiert“, sobald die Notunterkunft in der Hugenmatt bezogen wird, vermutet Sauer.

Da weder die Schulen noch Stadt und Landkreis im Vorfeld wüssten, wie viele Kinder unter den zugewiesenen Asylbewerbern seien, müsse man viel „improvisieren“, so Sauer. Derzeit sei man aber  auf weitere Kinder „relativ gut vorbereitet“.

Die Hebelschule wird laut  Sproß über kurz oder lang  Flüchtlingskinder aufnehmen müssen. Auch, weil im  Innocel-Quartier eine Notunterkunft für 100 Menschen geplant ist.   An der Hebelschule existiere bereits  eine Vorbereitungsklasse mit Kindern, die kein Deutsch sprechen, aber keine Flüchtlinge sind, erklärte Schulleiter Matthias Hartmann gestern auf Anfrage.

Viel Erfahrung mit Vorbereitungsklassen

Etwas speziell ist die Situation an der Albert-Schweitzer-Schule: Schon in den 80er-Jahren wurde dort eine Vorbereitungsklasse gebildet. Entsprechend groß ist die Erfahrung: „Die Kollegen wissen, was zu tun ist“, bestätigte Schulleiterin Sabine Stein. Inzwischen gibt es  zwei Klassen, die derzeit je rund 15 Schüler umfassen –  eine für die Primar- (6 bis 11 Jahre) und eine für die Sekundarstufe (11 bis 15 Jahre).

Flüchtlingskinder stellen bislang laut Stein den „geringeren Teil“ der Klassen. „Wir haben ein sehr breites Spektrum von Schülern“, darum seien auch „viele Einzelfalllösungen notwendig“. Die Arbeit mit den Kindern sei für die Lehrkräfte jedoch „sehr bereichernd“ und es komme immer wieder zu „berührenden Momenten“, so Stein. Erst vor kurzem habe ein Schüler zu seiner Lehrerin gesagt: „Ich will auch Deutschland sein.“

Stein hält es für wichtig, dass die Schüler „sehr rasch in die Schulen kommen“. Auch eine Teilnahme am Ganztagesangebot sei empfehlenswert, um „mehr Zeit im Sprachbad“ zu verbringen, wenngleich das die Anbieter wie den SAK vor „höhere Herausforderungen“ stelle.

In  der Gemeinschaftsunterkunft Gretherstraße leben laut Heimleiterin Ulrike Krämer derzeit  nur zehn Kinder: Drei gehen in den Kindergarten St. Peter, vier besuchen die Hellbergschule und drei die Albert-Schweitzer-Schule. Auch sie kann die Dynamik – in beide Richtungen – bestätigen: „Erst im August sind zwei Familien mit sieben Kindern wieder in die Heimat zurück.“


Vorbereitungsklassen sind schul- und jahrgangsübergreifende Klassen. Ausländischen Kindern und Jugendlichen soll damit die Integration und Sozialisation in ihren neuen Lebensbereichen durch das intensive Erlernen der deutschen Sprache erleichtert werden.

Laut Ilona Oswald, Stellvertretende Fachbereichsleiterin Jugend, Schulen und Sport, stehen die Vorbereitungsklassen „nicht nur Asylbewerbern sondern allen Kindern offen, die kein Deutsch können.“ Sobald sich entsprechende Lernerfolge einstellen, werden die Schüler in Regelklassen integriert. Für ältere Jugendliche gibt es ein entsprechendes Angebot zur Berufsvorbereitung an den Beruflichen Schulen in Form der VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf zum Erwerb von Deutschkenntnissen).