Das Spinnenweibchen, das nach erfolgter Paarung das Männchen verspeist, die Frau, die sich selbst zur Witwe macht, indem sie einen (oder systematisch mehrere) Gatten umbringt, sowie nicht zuletzt, darauf hat die Künstlerin dieser Tage in einem Interview hingewiesen, Witwen im allgemeinen und Walliser Witwen, die für den Rest ihre Lebens schwarze Kleidung tragen, im besonderen. Deren dunkle Silhouetten hätten sie schon in jungen Jahren fasziniert. Im bilateralen Stucky-Kosmos bilden sie eines der vielen markanten Zeichen für den „Kulturschock“, den die Schweiz-Amerikanerin beim Übersiedeln von San Francisco ins Oberwallis erlebte, und den sie immer wieder zum Thema ihrer Performances macht.
Im folglich schwarzen Gewand betritt Stucky die Burghof-Bühne, scheppernd, keuchend, knurrend, auf dem Kopf eine Perücke, die kontrapunktisch wirkt, in Kontur und Farbe aber auch ein wenig an die Häupter der landsmännischen Clowninnen Gardi Hutter und Nadeschkin erinnert. Dass Komik im neuen Programm, den neuen Liedern nicht zu kurz kommen würde, hatten die Stucky-Fans erwartet, so wie sie bereits bei der Prinzessinnen-Nummer 2005 geahnt haben mochten, dass ein Witwen-Programm früher oder später die logische Folge sein würde. Zumal das Thema wie geschaffen ist für die schrägen und schrillen musikalischen Interpretationen und Dekonstruktionen, mit denen Erika Stucky zu einer der berühmtesten Bühnenfiguren der Schweiz wurde, breit gefächert und vor allem ambivalent genug, um zu einem klassisch sperrigen, nicht immer kohärenten, nicht immer auf Anhieb verständlichen Stucky-Paket zusammengeschnürt zu werden.