Lörrach. Detlef Träbert spricht auf Einladung von Fridolinschule und Stadtverwaltung am morgigen Mittwoch um 20 Uhr über „Starke Eltern – erfolgreiche Schüler“. Der Pädagoge und Autor möchte in der Mensa der Neumattschule auf humorvolle Weise deutlich machen, was starke Eltern ausmacht. Die gute Nachricht: Sie müssen nicht perfekt sein. Bernhard Konrad hat mit Detlef Träbert über das Thema des Vortrags gesprochen.
 
Herr Träbert, Studien zeigen angeblich, dass schulischer Erfolg in erster Linie von Einflüssen des Elternhauses abhängt. Welche Grundhaltung von Eltern schafft gute Voraussetzungen für den Lernerfolg eines Kindes?
 
(lacht) Eigentlich bräuchte ich für die Beantwortung dieser Frage einen ganzen Vortrag.
Wichtig ist sicher eine Haltung, die den Kindern Selbstständigkeit ermöglicht, die sich darauf beschränkt, einen guten Rahmen für das häusliche Lernen zu schaffen – dies aber verlässlich. Das heißt etwa: dass Kinder in Ruhe und an einem festen Platz zu einer bestimmten Zeit ihre Hausaufgaben machen können.
Eltern sollten ihren Kindern von klein auf vermitteln: Du musst selber machen, selber tun. Der Grundsatz lautet: Selber tun macht tüchtig. Kinder, die es gewohnt sind, eigene Erfahrungen zu machen – man nennt das auch Selbstwirksamkeitserfahrungen – die tun sich mit dem Lernen und dem sich anstrengen leichter.
 
Sollten Eltern überhaupt mit ihren Kindern lernen und üben?
 
Es gibt in Einzelfällen Situationen in denen man sagen könnte: Das ist jetzt sinnvoll. Generell sind Eltern als Nachhilfelehrer für ihre Kinder nur sehr bedingt geeignet, weil die emotionale Verbundenheit nicht die nötige Distanz ermöglicht, die notwendig ist, um jemanden tatsächlich lernen zu lassen. Eltern können bei den eigenen Kindern meist nicht gelassen sein.
 
Wäre eine professionelle Nachhilfe bei Bedarf sinnvoller, weil diese Variante den Alltag der Familie nicht belastet?
 
Warum kann man nicht das Vertrauen haben, dass Kinder auch selbst lernen können? Warum gehen viele davon aus, dass Kinder nur dann lernen, wenn jemand mit ihnen lernt?
 
Das heißt: Der Wille von Eltern, Kinder früh und intensiv zu fördern, vermindert, dass Kinder gerade das erwerben, was für ihren Lernerfolg wichtig wäre?
 
Der Ansatz: „Viel fördern hilft viel“ ist im Grunde eine kontraproduktive Haltung. Denn ein hohes Maß an Förderung vermittelt dem Kind: Ich bin nicht o.k., so wie ich bin, und dadurch wird sein Selbstwertgefühl geschädigt.
Zudem wird seine Motivation und Anstrengungsbereitschaft gemindert, weil es ständig die Erfahrung macht: Ich muss nicht darauf achten, was ich tue. Immer guckt und macht jemand mit mir.
 
Was tun, wenn tatsächlich ein besonderer Förderbedarf bei einem Kind in bestimmten Fächern erkannt wird?
 
Es muss nicht immer die professionelle Nachhilfe sein, denn diese wird nicht immer professionell gehandhabt. Mitunter lernen Kinder in zu großen Gruppen oder gemeinsam mit Kindern aus anderen Klassenstufen: Das ist nicht optimal. Der erste Schritt wäre immer das Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer: Was muss gelernt werden? Wie könnte es gelernt werden? Manch ein Lehrer kann etwa ein Computerprogramm empfehlen, das zum Schulbuch passt: Damit kann ein Kind schon alleine viel lernen. Eine weitere gute Möglichkeit ist das gemeinsame Üben mit Klassenkameraden oder das Lernen mit älteren Schülern, die das wahrscheinlich für ein Taschengeld mit ebenso viel Engagement machen wie Nachhilfelehrer in Instituten.
Im ein oder anderen Fall müsste man nach Rücksprache mit den Lehrern womöglich auch schulpsychologisch abklären lassen, was los ist.
 
Sind Eltern heutzutage immer schneller immer tiefer besorgt, wenn ihre Kinder mitunter keine gute Noten nach Hause bringen? Fängt der Notendruck für Kinder immer früher an?

 
Ich habe den Eindruck, dass die Verunsicherung bei den Eltern in den vergangen Jahrzehnten zugenommen hat. Und aus dieser Besorgtheit heraus versuchen sie alles – wirklich alles – für das Kind zu tun. Damit überfordert man Kinder leicht. Man nimmt ihnen die Möglichkeit, sich zu entwickeln, wie es ihren Anlagen gemäß ist und damit ein gesundes, stabiles Selbstwertgefühl aufzubauen. Das kann in eine Förderfalle führen, in der das Kind jegliche Eigeninitiative verlernt.
 
Der Titel ihres Vortrags lautet „Starke Eltern – erfolgreiche Schüler“. Erfolg bemisst sich in der Schule nun mal an Noten. Wird der Bildungsgedanke immer stärker von einer auf punktuellen Erfolg orientierten Notenjagd abgelöst?
 
Das ist mit Sicherheit so. Diese gesellschaftliche Entwicklung ist durch Einflüsse der Wirtschaft zu erklären. Es etabliert sich zunehmend ein Bildungsverständnis, das nicht mehr den Menschen als Ganzes in den Blick nimmt, sondern seine formalen Qualifikationen – das ist wirtschaftliches Effizienzdenken. Menschen sind aber Persönlichkeiten, die nicht wie Maschinen funktionieren. Menschen müssen sich selbst auch Umwege erlauben, um Erfahrungen machen zu können. Umwege sind eine sehr gute Quelle für neue Erfahrungen. Dieses Effizienzdenken von Note zu Note, von Abschluss zu Abschluss, missachtet menschliche Grundbedürfnisse und menschliche Qualitäten. Auch das kann dazu führen, dass Kinder aus der Spur geraten.
 
Aus erfolgreichen Schülern werden nicht zwangsläufig erfolgreiche oder zufriedene Erwachsene. Wird schulischer Erfolg überbewertet?
 
Das würde ich durchaus bejahen. Schulerfolg war noch nie eine Garantie für Lebenserfolg und Lebenszufriedenheit. Natürlich hängen Karrierechancen in der Wirtschaft statistisch gesehen zunächst auch mit den Notendurchschnitten von Bildungsabschlüssen zusammen. Aber sehr gute Noten sind keine Gewähr dafür, dass der jeweilige Beruf sehr gut ausgefüllt wird – etwa wenn ein Mediziner als Arzt keinen Zugang zu den Menschen findet.
 
Ohne komplexe Zusammenhänge zu sehr versimpeln zu wollen. Könnte man mit Blick auf das Verhältnis von Eltern und Schulkindern die Empfehlung aussprechen: Zugewandt sein – aber dabei locker bleiben?
 
Das wäre ein ganz gutes Motto. Gelassenheit schadet nie. Und dabei die Dinge im Blick behalten, den Kindern die Gewissheit vermitteln: Ich bin da – wenn du mich brauchst.
Kinder sollten aber nicht mit Aufmerksamkeit überschüttet werden, sie brauchen auch Freiräume. Eltern können sich gelegentlich ein wenig zurücknehmen. In vielen Fällen könnte man sagen: „Die Kinder werden das schon machen.“
 
Vortrag „Starke Eltern – erfolgreiche Schüler“, Mittwoch, 11. Februar, 20 Uhr, Mensa der Neumattschule