Von Beatrice Ehrlich Lörrach. Der Abend im Lörracher Alten Wasserwerk beginnt vielversprechend: Die Baslerin Gina Été kann sich hören lassen mit ihren auf den Punkt formulierten vertonten Gedichten, wozu sie sich in minimalistischer Manier selbst am Keyboard oder an der Bratsche zupfend begleitet. Es gehört Mut dazu, sich so ganz allein an den vorderen Bühnenrand zu setzen. Die Stimme der Sängerin rückt fast unerhört intim in den Vordergrund, verrucht brechend oder fast hysterisch Höhen erklimmend, holpert mit großen Worten durch drei Sprachen inklusive Schweizerdeutsch und entfaltet einen sehr hörenswerten, unwiderstehlichen Reiz. Ob mit dem an die Männer dieser Welt gerichteten „Listen, oh listen“ oder gesellschaftskritisch in „Le dimanche a Kuala Lumpur“, man würde dieser Post-Pop-Poetin gern länger zuhören bei ihren nur scheinbar unbedarft dahingesungenen Liedern. Buchstäblich von Null auf Hundert geht es im Hauptteil des Konzerts als mit Sophie Burande und Léonard Gogniat das charmanteste Pärchen des französischen Néo-Chansons auf die Bühne tritt und die ersten Zeilen singt. Die Texte angesiedelt zwischen verträumter Romantik und fast kindlicher Freude am Spiel, sind eingebettet in einen Sound, der – tatsächlich wie ein einmal in Bewegung versetztes Karussell – nicht einen Moment an Tempo oder Energie verliert. Gute Laune, hemmungsloser Optimismus, Euphorie, man kann gar nicht anders, als sich mitreißen zu lassen von dem unwiderstehlichen Strom, den diese Band ins Fließen bringt. Was Paare betrifft Zusammengenommen sind die Lieder eine große Liebesgeschichte, die von allem erzählt, was Paare betrifft: Von hochfliegenden Träumen „im Plural“, Wagnissen („La falaise“) und Streit („Franc-Jeu“) ebenso wie gemeinsamen Liebhabereien und dem nie verwirklichten Plan, mit dem Tandem ans Meer zu fahren. Musizierend haben sich die beiden kennengelernt, musizierend ziehen sie seit fast zehn Jahren über große und kleine Bühnen und Festivals, darunter auch „Stimmen“ 2015, zuletzt auch während einer längeren Tournee durch Deutschland. Unzählige Lieder, fast immer im Duett, auf drei Platten sind die bisherige Bilanz dieser fruchtbaren französisch-schweizerischen Liaison. Die Rollen auf der Bühne sind fest verteilt. Während Léonard Gogniat sich ganz auf die Gitarre konzentriert – angeblich beherrscht auch er das Akkordeon – verleiht Sophie Burande mit ihrem energiegeladenen Spiel dem traditionellen Chanson-Instrument eine anregend neue Note. Hinzu kommen Thierry Cattin am Schlagzeug und Mathieu Friz am Klavier. Manchmal kommt stattdessen auch die Melodica oder eines von mehreren mechanischen Glockenspielen zum Einsatz, denen Carrousel seinen unverkennbaren Klang verdankt. Frontfrau Sophie scheint überhaupt einen Spaß zu haben am Musik machen mit ganz kleinen Instrumenten, sei es eine Maultrommel oder ein verspielt trällerndes Kurbelkästchen. Als Kurbelkästchen-Orchester oder pfeifend wird auch das Publikum eingebunden in die fesselnde Bühnenperformance von Carrousel. Zu guter Letzt geht nach einem lauten Knall auch noch ein Konfettiregen auf Bühne und Zuhörer nieder – ein Spektakel, das man nicht so schnell vergisst.