Von Kristoff Meller
Lörrach. „Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle“ – was Revolutionär Gustav Struve am 21. September 1848 forderte, als er in Lörrach die erste Demokratie auf deutschem Boden ausrief, wurde am Montag  beim ersten  „Tag der Demokratie“ der Stadt Lörrach bekräftigt und von den Akteuren auf aktuelle Themen wie die Flüchtlingspolitik übertragen. Die Veranstalter bewerteten die Premiere positiv.

Mit den historisch überlieferten Worten „Auf nach Lörrach“  gaben Gustav Struve (Andreas Glattacker) und Markus Pflüger (Hans-Peter Gempp) per Megafon um kurz nach 11 Uhr in Stetten beim ehemaligen Gasthaus „Rössle“ das Startsignal für den Revolutionsmarsch. Statt einer Handvoll Gleichgesinnter und der Lörracher Bürgerwehr wie  vor 167 Jahren folgten den beiden Revolutionären, die dank des Reitervereins hoch zu Ross voranschritten, rund 1200 Lörracher Schüler und weitere Interessierte. Auf der Basler Straße  führte  der Revolutionsmarsch mit Plakaten zum Thema Demokratie und  Deutschland-Fahnen bis zum Alten Markt, wo Struve die Republik ausrief und mit Pflüger anschließend die schwarz-rot-goldene Fahne hisste.

Der Brombacher Kabarettist Volkmar Staub forderte  in seiner gehaltvollen, wenngleich vor allem für das jüngere Publikum etwas langatmigen Revolutionsrede unter anderem ein „global gerechteres Wirtschaftssystem“, eine „umfassende, humanitäre Bildung“ und machte sich  dafür stark, bei der Flüchtlingsaufnahme „Brüderlichkeit zu zeigen“.

Staub fordert "basisdemokratische Foren"

Wenn der von der Stadt Lörrach ins Leben gerufene Revolutionsgedenktag aber nicht nur „ein sanftes Folklorespektakel“ sein solle, so Staub, müsse man bei den künftigen Veranstaltungen „basisdemokratische Foren“ schaffen und „Diskussionen anstoßen“, um eine reine „Spaßveranstaltung“ für touristische Zwecke zu vermeiden.

„Migration ist so alt wie die Menschheit“, griff auch Staubs Kollege Florian Schroeder das aktuelle Asylthema in seiner Rede auf und warb dafür, Ängste abzubauen. Das Gleiche gelte für das Thema Bildung, wo ängstliche Eltern heute „unmündige Kinder heranzüchten“ würden. „Dummheit ist erwünscht“, schlussfolgerte der Kabarettist und fragte sich: „Gibt es in Deutschland noch Potenzial für eine Revolution, wenn man drei Mal Angela Merkel gewählt hat?“

„Wir waren die Vorreiter hier, aber Demokratie muss immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden“, bekräftige auch Oberbürgermeister Jörg Lutz in seiner Abschlussrede, nachdem zu den Klängen eines Bläserensembles der städtischen Musikschule „Die Gedanken sind frei“ und „Was tut das dazu“ gesungen wurde.

„Das muss Demokratie aushalten“

Demokratie sei  keine Selbstverständlichkeit, so Lutz. „Das erleben wir gerade in den letzten Wochen wieder, wenn hier in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte angegriffen, Asylbewerber diffamiert und attackiert werden.“ In Lörrach herrsche bislang glücklickerweise „eine beeindruckende Menschlichkeit und Welle der Solidarität“, sagte Lutz. Er machte sich dafür stark, die Flüchtlinge „nicht nur als Belastung“ zu sehen, sondern als „Bereicherung für die Stadt“. Man müsse zu diesem Thema  eine „konstruktive, kritische Diskussion“ führen. „Das muss Demokratie aushalten.“

Ein positives Fazit für die Premiere zog Lars Frick, Initiator der Veranstaltung und Fachbereichsleiter Kultur: „Es war unser Ziel, den Tag der Demokratie regelmäßig zu veranstalten und ich  habe den Eindruck, es lohnt sich, ihn als feste Größe zu etablieren.“

Frick lobte außerdem das Engagement der beteiligten Schüler beim Revolutionsmarsch: „Das hat unglaublich gut funktioniert. Ich hätte nicht gedacht, dass die Schüler so diszipliniert sind.“ Statt der eingeplanten 45 Minuten benötigte der Tross nur eine Viertelstunde für die Strecke, weshalb der Zeitplan etwas über den Haufen geworfen wurde.

„Disziplin ist die Mutter der Demokratie“, hatte Hubert Bernnat den Schülern im Vorfeld mit auf den Weg gegeben und zeigte sich ebenfalls begeistert von der Premiere: „Für das erste Mal, war das unglaublich gut.“ Man müsse sich nur überlegen, wie die Schüler künftig auf dem Alten Markt stärker ins Programm eingebunden werden könnten. „Die Vorlaufzeit für die Schulen war sehr kurz“,  ergänzte Frick. Diesen Punkt müsse man künftig noch optimieren. Wie regelmäßig und in welchem Umfang der Gedenktag künftig stattfindet, müsse aber letztendlich der Gemeinderat entscheiden.

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