Lörrach Meister der Verwandlung

Die Oberbadische
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Tempus fugit: Flüchtlingstheatergruppe HullyGully zeigt Hänsel-und-Gretel-Collage

Von Beatrice Ehrlich

Mit ihrer Hänsel-und-Gretel-Collage hat die Flüchtlingstheatergruppe HullyGully unter Leitung von Marianne Cebulla einen furiosen Einstand gegeben. Im vollbesetzten Theaterhaus von Tempus fugit überzeugten die jungen Darsteller – Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, mit ausdrucksstarkem Spiel.

Lörrach. Stark ist die Truppe vor allem da, wo sie sich allein auf die enorme Wandlungsfähigkeit und die direkte Körperlichkeit ihre Mitspieler verlässt. Etwa ganz am Anfang: Eine kleine Waldmaus scharrt am Boden, ein Hase hüpft vorbei, ein Wildschwein grunzt. Die Vögel zwitschern, ein Baum wiegt seine Äste sacht im Wind. Durch minimale Gesten und Geräusche lassen drei Darsteller auf meisterliche Art und Weise das friedliche Bild eines Sommerwaldes vor den Augen der Zuschauer entstehen. Nichts lässt die unheilvolle Wendung erahnen, die das Märchen „Hänsel und Gretel“ unweigerlich nehmen wird.

Ein krasses Gegenbild dazu ist später das Hexenhaus. In seiner alptraumhaften und zugleich faszinierenden Düsterkeit nimmt man es als Zuschauer ganz unmittelbar als Raum wahr, obwohl sich auch hier weder ein Bühnenbild noch ein Requisit auf der Bühne befinden. Die Hexe, von zwei jungen Männern als vielarmiges Magierwesen wie aus einem Guss auf die Bühne gebracht, vollführt im Angesicht des kommenden Festschmauses einen grotesken Tanz. Hänsels Furcht bricht sich in bedrohlichen Traumbildern Bahn: Als Spielball wird er von bösen Mächten förmlich durch die Luft geschüttelt.

Die Fratzen seiner Peiniger, das zur Maske erstarrte Gesicht Hänsels, als er kopfüber wie in einem Spinnennetz in den Armen der anderen festhängt, brennen sich als vielsagende Bilder im Kopf ein.

Gesprochen wird in diesem Stück aber auch, sogar lange und komplizierte Textabschnitte, sei es in Form eines Monologs, wenn etwa einer der Akteure über die Bedeutung des Worts „Erinnerungen“ sinniert, sei es als witziger Dialog, etwa zwischen den beiden Protagonisten Hänsel und Gretel – von Ali Alkhous und Mohamad Alshalah als gegensätzliches Pärchen dargestellt. Trotz der collageartigen Anordnung der Szenen ziehen sie mit ihren Aktionen den roten Faden durch das Stück.

Faszinierend, wie die vertrauten Märchenmotive von den jungen Flüchtlingen wahrgenommen und ins Bild gesetzt werden. Glück, Hoffnung und Angst liegen in ihrem Spiel eng beieinander – geschuldet vielleicht den Parallelen zu ihrem eigenen Leben. Dass sich die Truppe als acht Leute in einer Person verstehen, wie die Darsteller im Vorgespräch zur Premiere unterstrichen, steht einem hier deutlich vor Augen. In scheinbar blindem Vertrauen, ohne Berührungsangst oder Schüchternheit angesichts der Bühnensituation lassen sich die Darsteller aufeinander ein und sind doch ganz sie selbst – eine herausragende darstellerische Leistung als Gruppe.

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