Von Dennis Kalt
Lörrach. Das Globale Positionierungssystem (GPS) feiert in diesen Tagen den 20. Jahrestag seiner offiziellen Inbetriebnahme. Galt vormals die Straßenkarte als unabdingbarer Standard der mobilen Orientierung, so scheint sie heutzutage, abgelöst von Navigationsgeräten und  unzähligen Navi-Apps für Smartphones, ein Nischendasein zu fristen. Nichtsdestotrotz führen die digitalen Orientierungshelfer ihre Benutzer noch lange nicht automatisch ans Ziel.

Ein Paar auf dem Weg in den Urlaub: Der Mann sitz am Steuer seines Autos und bittet seine Frau, aufgrund der schlecht ausgeschilderten   Verkehrsführung, die Straßenkarte aufzuschlagen, um auf den letzen Kilometern ohne Umweg am Urlaubsziel anzukommen. Als das Paar auf die nächste Abzweigung zufährt, fragt der  Mann: „Rechts oder links?“ Zu spät. Als  die Abzweigung bereits hinter ihnen liegt, schaut der Fahrer zu seiner Rechten und muss verdutzt feststellen, dass seine Frau die Straßenkarte auf dem Kopf hält. Etwas erzürnt gibt nun der Mann seiner Gattin die Schuld für die Irrfahrt, worauf diese ihm pikiert zu verstehen  gibt, dass er die Reiseroute bereits im Vorfeld penibler hätte planen sollen. Kurz: Die Stimmung ist bereits vor dem ersten Urlaubstag im Eimer.

Zugegeben: Dieses Bild mag stereotypisch, klischeehaft und nicht mehr ganz zeitgemäß erscheinen. Denn dass der Gebrauch von Navigationssystemen und internetfähigen Smartphones bei der Zielführung über unbekannte Routen mittlerweile   einen festen Bestandteil im Alltag des deutschen Autofahrers eingenommen hat, zeigt auch eine Befragung unter Lörracher Passanten: „Ja, ich habe ein Navigationsgerät in meinem Fahrzeug, das mir die Fahrt zu unbekannten Orten sehr erleichtert“, so der Tenor.

Lörracher schätzen Vorteile  der digitale Orientierung

Auch der Lörracher Matz  Riegel (51) ist froh über die Erleichterungen, die Navigationsgeräte mit sich bringen: „Vor allem wenn ich mit dem Motorrad unterwegs bin, ist der Gebrauch einer Straßenkarte kaum möglich. Zum einen ist die Befestigung problematisch, zum anderen ist es beim Einfall des Sonnenlichtes, durch die entstehenden Spiegelungen sehr schwierig, dem Verlauf der Straßenkarte visuell zu folgen. Das Navigationsgerät hat den Vorteil, dass es mir zusätzlich hörbare Richtungsangaben gibt. Zudem besitze  ich für mein Auto ein mobiles Navigationsgerät, welches mir  beispielsweise die Urlaubsanfahrt in die Toskana sehr erleichtert. Früher, mit den klassischen Landkarten, war dies alles noch etwas umständlicher.“

Ebenso nutzt Uwe Schierer, Geschäftsführer eines Taxiunternehmens in Lörrach, schon etliche Jahre die Vorteile der digitalen Orientierungshelfer: „In unserer Taxiflotte gehören Navigationssysteme natürlich zum Standard. Ich persönlich nutze sie, seitdem sie existieren. Allerdings kenne ich in unserer Firma keinen Fahrer, der für Lörrach eins brauchen würde.“ Dabei greift Schierer vor allem immer wieder gerne auf die Stauanzeige zurück, die ihm „Verkehrsstockungen in Echtzeit anzeigt“ und besonders hilfreich ist, wenn er es „eilig“ hat.

Skeptische Stimmen  zu den digitalen Navigationshelfern wie die von Carlo Juric (77) aus Binzen sind hingegen  äußerst selten zu vernehmen: „Ich halte mobile Navigationsgeräte für gefährlich. So verliert man durch den ständigen Blick auf den Bildschirm  den Überblick über den Straßenverkehr.  Auch die Bedienung des Navigationssystems während der Fahrt, kann zu lebensgefährlichen Situationen führen. Als ich früher auf Montage in große Städte wie München gefahren bin, habe ich meine Ziele auch ohne digitale Navigationshilfe immer gefunden. Meine Navigationshilfen waren damals  Taxifahrer und Ortsansässige, die ich nach dem Weg gefragt habe.“

Eine andere Ansicht vertritt Britta Schwertmann (42): „Ich besitze schon seit längerer Zeit ein mobiles Navigationsgerät in meinem Fahrzeug. Zu Beginn meiner Autofahrerkarriere, habe ich das ein oder andere Mal zur Straßenkarte greifen müssen. Vergleiche ich früher mit heute, dann finde ich die Verkehrsführung mittels Navigationsgeräten wesentlich komfortabler. Dennoch sollte man der digitalen Navigation nicht blind vertrauen und bei der Autofahrt immer seinen eigenen Verstand gebrauchen.“

Sammelsurium der Kuriositäten

Was passieren kann, wenn man blind auf die digitalen Helfer vertraut und dabei seinen Verstand ausschaltet, schildert der Lörracher Polizeisprecher Dietmar Ernst, als er aus dem Sammelsurium der durch Navigationssysteme verursachten Kuriositäten erzählt: So geschah es im März dieses Jahres, dass sich der Fahrer eines 40-Tonners, als er seinen Sattelzug bei einem Rheinfelder Lebensmittelmarkt abladen wollte, in eine Fußgängerzone navigieren ließ. Nach unzähligen erfolglosen Rangierversuchen, bei denen zwei Gebäude, ein Verkehrszeichen und ein Mülleimer beschädigt wurden, musste die Polizei den Lastwagen durch die gesamte Fußgängerzone herauslotsen.  

Unterhaltsam ist auch  der Fall eines älteren Ehepaars aus der Schweiz. Die beiden machte sich mit dem Auto auf, um einen Parkplatz an der Nähe des Rheinufers in Grenzach-Wyhlen zu suchen. Sie ließen sich erst von ihrem Navigationsgerät auf einen Feldweg lotsen, der immer enger wurde und schließlich in einen Fußgängerweg mündete.  Da das Ehepaar blind auf die Angaben des digitalen Helfers vertraute, kam es schließlich soweit, dass ihr Fahrzeug im Morast stecken blieb und schlussendlich  nur noch der Abschleppdienst den Karren aus dem Dreck ziehen konnte.

Noch kurioser erscheint dies: Mit dem Ziel, die kürzeste Route zu finden, aktivierten zwei Schülerinnen in Lörrach im vergangenen Jahr die Navigationsfunktion ihrer Smartphones. Tragischerweise orientierte sich diese jedoch am Straßenverkehr und lotste die beiden Schülerinnen direkt auf die Autobahn. Nachdem besorgte Autofahrer die Polizei alarmierten, wurden die beiden Mädchen von einem Streifenwagen hinter der Leitplanke der A98 aufgegriffen.

Wie kommen die Daten ins Navi?

„Wie komme ich von der Hauptstraße 29 in Schopfheim zur Luisenstraße in Lörrach?“. Zu dieser Frage gibt Hans Trinler, Leiter vom Fachbereich Vermessung & Geoinformation des Landratsamtes Lörrach, Auskunft und verweist auf die Hauskoordinaten. Diese führt  die Auto-Navigation direkt vor die gewünschte Haustüre. Ebenso zeigen handybasierte Kommunikationsdienste mit Hilfe der Hauskoordinate genau an, wo der nächste Optiker oder die nächste Bank  zu finden ist.

Die Hauskoordinaten sind flächendeckend für ganz Baden-Württemberg verfügbar und werden zwei mal jährlich aus dem Liegenschafskataster gewonnen, womit eine kontinuierliche Pflege und Aktualisierung der Datenbestände gesichert wird. Die Einzeichnung der Grundstücke auf der Liegenschaftskarte sowie die Erfassung der Straße und Hausnummer ist die Aufgabe  von Vermessungstechnikern und -ingenieuren und wird in Lörrach vom Fachbereich Vermessung und Geoinformation des Landratsamtes durchgeführt.

Weiter geht der Rundgang durch Lörrachs Innenstadt: Die beiden Schweizer Adrian Mosimann (23) und Raffel Arnold (25) erzählen, dass sie sich gerade auf der Suche nach einer Schneiderei befinden, um sich einen Hochzeitsanzug herstellen zu lassen. Da sie sich in  Lörrach nicht gut auskennen, haben sie die Navigationsfunktion auf ihren Smartphones aktiviert, um den kürzesten Weg  ausfindig zu machen. „Wir benutzen öfters die Navi-App ,Google Maps’, um  unbekannte Zielpunkte in Städten ausfindig zu machen“, erklären beide. „Wenn wir mit dem Auto an Orte wollen, die uns unbekannt sind, verwenden wir meistens die Navigationsfunktion unserer Smartphones. Die Straßenkarte kommt bei uns nur noch zum Einsatz, wenn wir längere  Touren mit dem Motorrad planen“, berichten die beiden Schweizer.    

An der stark frequentierten Basler Straße wird der Autor dann  fast von einer jungen Dame überrannt, die ihren Blick stur auf ihr Smartphone fixiert hat. Sie erzählt hastig, dass sie es eilig hätte und sich gerade über ihre  Navigations-App zu einem Termin lotsen ließe. Dabei gesteht sie mit leichter Verlegenheit, dass sie schon öfters Leute übersehen hätte, weil sie zu sehr auf das Display ihres Smartphones vertieft  war. Kein Einzelfall. Es ist heutzutage nicht ungewöhnlich, wenn man durch solche jungen Smartphonebesitzer  zu Ausweichmanövern genötigt wird.

Nutzung nur mit Sinn und Verstand

Bei allen Vorteilen, die mit diesen digitalen GPS-basierten Orientierungshelfern verbunden sind, sollte der Nutzer jedoch zwei  wesentliche Sachen zum Selbstschutz beachten. Erstens: Lässt man sich via Smartphone zu Fuß zu einem Ziel lotsen, sollte man versuchen, sein Umfeld dennoch einigermaßen wahrzunehmen.

Zweitens: Lässt man sich via Navigationssystem mit dem Fahrzeug an ein Ziel lotsen, sollte man sich  nicht blind auf dieses verlassen, sondern immer noch seinen eigenen Verstand benutzen. Ansonsten könnte es schon bei einem kleinen Tippfehler passieren, dass man sich  statt an der Haagener Schlossberghalle 500 Kilometer entfernt vom  Zielort, im Nordrhein-Westfälischen Hagen wiederfinden könnten


Das Globale Positionierungsbestimmungssytem (GPS) wurde durch das US-Verteidigungsministerium 1973 entwickelt. Ursprünglich diente es der Navigation und Positionsbestimmung von Waffensystemen, Flugzeugen und Kriegsschiffen. Vorteilhaft für die Nutzung im militärischen Bereich ist, dass GPS-Geräte nur Signale empfangen jedoch keine senden, was eine Navigation ermöglicht, ohne dass der Feind Informationen über den Standort erhält. Die volle Funktionsbereitschaft des GPS wurde im April 1995 erreicht und am 17. Juli desselben Jahres  bekannt gegeben. Zunächst wurden jedoch nicht-autorisierte Nutzer – potenzielle militärische Gegner – von einer genauen Positionsbestimmung ausgeschlossen, indem das Übertragungssignal der Satelliten künstlich verschlechtert wurde. Die Fehlertoleranz für Nutzer ohne Zugangsschlüssel war dadurch größer als 100 Meter.

Diese künstliche Ungenauigkeit der Satelliten wurde am 2. Mai 2000 abgeschaltet, sodass das GPS seitdem auch außerhalb des militärischen Bereichs zur exakten Positionsbestimmung genutzt werden kann. Durch die Freischaltung für den zivilen Gebrauch hat sich das GPS zu dem weltweit wichtigsten mobilen Ortungsverfahren entwickelt, da der Messfehler in mindestens 90 Prozent der Messungen geringer als zehn Meter ist.                

Im Zeitraum zwischen 2010 und 2014 wurden 13,6 Millionen mobile Navigationsgeräte in Deutschland abgesetzt. In der Hälfte aller erworbenen Neuwagen  des letzen Jahres war ein Navigationssystem fest integriert. Bei den Gebrauchtwagen lag dieser Wert bei 25 Prozent. Hinzukommt, dass derzeit knapp 47 Millionen deutsche Bürger im Besitz eines internfähigen Smartphones sind und ihnen hierbei eine Unzahl von verschiedenen Navi-Apps zur Verfügung stehen.