Von Gerd Lustig Lörrach. Der hellblaue, beinlange Fummel stammt zwar noch aus der Zeit, als Lilo Wanders die große Aufklärerin und Sexpertin in der Vox-Sendung „Wa(h)re Liebe“ war und damit bundesweit bekannt wurde. Mit der schrillen Person vom Kiez hatte der jetzige Auftritt im Burghof aber nicht mehr viel zu tun. „Endlich 60 – gaga, geil & gierig“ heißt der Titel ihres neuen Programms, und das hatte und sollte natürlich allemal etwas mit dem Alter zu tun haben. Dass sie mit dem umgebauten Rollator, der an einer Seite mit einer Krücke ausgestattet ist, auf die Bühne kommt, ist ja schon ein Gag. Und mit dem Alter und dem aus eigener Sicht jüngeren Aussehen zu kokettieren, ist ja an sich auch keine schlechte Sache. Doch irgendwie wirkt der Typ auf der Bühne – mit bürgerlichen Namen heißt die Kultfigur Ernst-Johann „Ernie“ Reinhardt – selbst schon reichlich alt. Die Tanzbewegungen zum Gesang wirken nicht wie die einer junggebliebenen Diva, die Texte werden vielfach abgelesen, des Öfteren gibt es kleinere Päuschen. „Alt werden ist nicht prickelnd“, sagt die Künstlerin, und dass sie so spät wie möglich jung sterben möchte, wünscht sie sich. Doch dann schwadroniert sie über die Unzulänglichkeiten und Peinlichkeiten der ins Alter gekommenen Menschen und erklärt: „Je älter man wird, desto merkwürdiger werden auch die anderen.“ Vieles klingt banal, wirkt platt und ausgeplaudert nur um des Plauderns willen. Keine Frage: Da hatten die meisten der Besucher im Burghof-Foyer sicher mehr erwartet. Nur selten blitzt im Verlauf der 90 Minuten die Kunst des Travestiekünstlers auf. Allzu oft gleitet das, was die 61-Jährige da erzählt und worüber sie spricht, in beinahe gewöhnliches Alltagsgesäusel. „In 545 Sendungen wurden insgesamt 353 Kleider für mich genäht“, blickt sie zurück, gibt zu verstehen, dass das weite und ihrer Meinung nach noch längst nicht zu Ende beackerte Feld von Erotik, Liebe und Sex noch immer durchgepflügt werden müsste. Mit Sport hat die Diva nichts am Hut. „Allenfalls gibt’s mal einen Morgenritt am offenen Fenster“, verkündet sie, für die der Tagesbedarf an Vitamin C durch 37 Biere gedeckt ist. Liebeskummer, na ja, das kennt sie zur Genüge. Denn jedes Mal, wenn eine Beziehung in die Brüche ging, dauerte es meist doppelt so lange, bis die Enttäuschung überstanden war. „Die Zeit heilt alle Wunder“, postuliert sie, um aber sogleich zu betonen: „Ich habe nichts getan, was ich bedauere, Enttäuschungen gehören dazu.“ Die Summe des Lebens sei die Sehnsucht nach Liebe und die Angst vor dem Tod, philosophiert sie gar ein wenig. „Doch ich habe nie aufgehört zu träumen“, bekennt sie. Beim Privatsender Vox hat sie früher auf Lilos Art aus dem Vollen geschöpft. Zehn Jahre lang. Mit großem Erfolg, „Quote mit Zote“ also. Nichts Menschliches war ihr und blieb den Zuschauern fremd. Und jetzt kommen gerade mal 150 Besucher zu ihrer Show, sodass noch nicht einmal das Foyer des Burghofes voll wird. Die Zeiten ändern sich eben.