Lörrach Poetisch-geheimnisvolle Bilder

Die Oberbadische
Doris Wolters und Helmut Lörscher mit einem literarisch-musikalischem Programm Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Doris Wolters und Helmut Lörscher zu Ingeborg Bachmann

Von Willi Vogl

Lörrach. Einen hysterisch weinerlichen Tonfall und inszenierte Ohnmachtsanfälle hatte man bei der musikalisch kommentierten Lesung von Doris Wolters (Sprecherin) und Helmut Lörscher (Klavier) nicht zu erwarten. Anders als die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, die bei eigenen Lesungen gern auch ihre Exzentrik zur Schau stellte, konnte man sich bei Wolters und Lörscher im Lörracher Werkraum Schöpflin ganz auf den dichterischen Gegenstand konzentrieren.

Die präsentierten Gedichte stammen aus der Zeit, als Bachmann sich auch der Erzählform zuwandte und ob der „neuen Sprache“ in ihrem ersten Erzählband „Das dreißigste Jahr“ auf Irritation und Ablehnung stieß. Unter dem Motto „Eine Stunde frei sein...“ hatte das Publikum die Möglichkeit, in die Gedicht- und Erzählwelt der bedeutenden Lyrikerin einzutauchen.

„Ich seh den Salamander durch jedes Feuer gehen“, stammt aus dem Gedicht „Erklär mir Liebe“ und ist eines der zahlreichen poetischen und geheimnisvollen Bilder, die nicht nur auf die persönlichen Befindlichkeiten der Autorin hinzuweisen scheinen, sondern zum Nachdenken über menschliche Grundwahrheiten anregen. Schnell ist man versucht, etwa mit der Ambivalenz von Liebe, der Begrenztheit des Lebens oder dem Sinn von Krieg die Bilder konkret zu greifen. Kaum jedoch glaubt man mit der Eröffnung „Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt“ aus „Alle Tage“ eine konkrete Richtung zu erhaschen, kommt unvermittelt die Fortsetzung, die Bachmann unverwechselbar schillernd und vielfältig bedenkenswert macht: „Das Unerhörte ist alltäglich geworden. Der Held bleibt den Kämpfen fern.“ Gedichte wie „Rede und Nachrede“ oder „Die gestundete Zeit“ bieten hier eine große Zahl gedanklicher Fluchtpunkte. Da werden in Naturvergleichen Brücken zur menschlichen Befindlichkeit geschlagen.

Im zweiten Teil des Abends gab es mit „Undine geht“ und „Undine kommt“ eine moderne Umdeutung der seit der Romantik literarisch wiederbelebten mythologischen Figur. Scheinbar unterhält sich hier eine Nymphe mit einem Menschen Namens „Hans“. Aussagen wie „Wir liebten einander, wir waren von gleichem Geist“ deuten auf eine Liebesgeschichte hin. Möglicherweise steht die Figur der Undine nach einer Aussage von Bachmann jedoch „für die Kunst. Und der Autor ist auf der anderen Seite zu suchen, also unter denen, die sich Hans nennen.“

Doris Wolters las mit klarer Diktion und anschaulicher Tempoführung. Gleichzeitig konnte sich im ernsten wie zurückgenommenen Tonfall besonders im Monolog der Undine eine anregende Vieldeutigkeit entwickeln. Das Sprechen von Wolters war mit dem Klavierspiel von Lörscher aufs Stimmigste verwoben. Der jazzinspirierte Improvisationspart erfüllte mehrere Funktionen. Einerseits konnte man sich bei plaudernder Fingerfertigkeit der tradierten Jazzmodelle in Bachmanns Worte vertiefen. Andererseits stellten die Anspielungen auf Melodien von Skrjabin, Mahler, Wagner oder Joaquín Rodrigo eigenständige musikalische Kommentare zum literarischen Part dar.

So mancher dürfte wohl an seine Grenzen stoßen, da – um im Sprachbild Bachmanns zu bleiben – der Text „vor lauter Erklärungen wieder ein Geheimnis geworden ist“.

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