Die Aufzeichnungen der Wetterdienste lassen erkennen, dass die Niederschläge in der Region heftiger werden. Die Folge ist, dass Entwässerungssysteme immer häufiger mit Niederschlägen konfrontiert werden, für die sie gar nicht ausgelegt sind. Um Überschwemmungen entgegen zu wirken, wird derzeit das Lörracher Abwassernetz überrechnet.

Lörrach (mek).  Eine pragmatische Aufdimensionierung aller regenwasserführenden Kanäle ist laut der Stadtverwaltung sehr kostenintensiv und würde zu einer mindestens zehnfach höheren Abwassergebühr führen.  Die Rohre wären zudem mit wenigen Ausnahmen überdimensioniert, mit der Folge, dass es bei trockenem Wetter  zu Ablagerungen, Geruchsbelästigung und einem erhöhten Unterhaltungsaufwand käme.

Neue fachübergreifende  Konzepte
Bei Starkniederschlägen gebe es zwei Probleme, die laut Stadtverwaltung unterschiedliche Lösungsansätze fordern: Entweder kann Regen nicht in die Kanalisation eingeleitet werden, weil die Rohre bereits voll sind, oder das Wasser gelangt auf Grund der Geländeneigung und der anfallenden Masse nicht in den Kanal, sondern schießt über die Einläufe hinweg.

Daher seien neue fachübergreifende Konzepte notwendig – insbesondere für die Situationen, in denen Niederschlagswasser aus den Außengebieten unkontrolliert und in großen Mengen in die Stadtteile strömt. Diese Wassermassen müssten im Extremfall oberflächig und möglichst schadlos durch den Ort geleitet werden. Das erfordere städtebauliche Anpassungen und eine grundlegend neue Herangehensweise an städtebauliche Planungen. Straßenräume und städtische Flächen müssten umgestaltet werden, um in der Lage zu sein, die  Wassermengen aufzunehmen und abzuleiten.

Um eine Grundlage für weitere, neue Konzepte zu erhalten, überrechnet der städtische Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung derzeit das gesamte Entwässerungsnetz. Die neuen Regendaten und bereits bekannte Erweiterungsgebiete gehen in die Überprüfung ein. Hieraus erfolgt eine Lokalisierung der Schwachstellen. Ein Abgleich mit dem bautechnischen Zustand des Leitungsnetzes sowie die Bewertung des ökologischen Einflusses auf die Wiese führen zu Aussagen über den erforderlichen Handlungsbedarf. Verschiedene Lösungsansätze werden in der Folge sowohl ökonomisch wie auch ökologisch miteinander verglichen und hieraus die erforderlichen Maßnahmen  und die weitere Entwicklung des Entwässerungssystems festgelegt.

Gelungenes Beispiel Belist
Ein gutes Beispiel für eine bereits  gelungene Zusammenarbeit von Stadt-, Entwässerungs-, Straßen- und Grünplanern stellt laut Stadtverwaltung das Baugebiet „Belist“ in Haagen dar. Dort werden städtebauliche Gestaltungsmerkmale mit dem Ziel einer hohen Aufenthaltsqualität zusammen mit einem innovativen Entwässerungskonzept kombiniert.

Der Manzentalbach wird künftig als naturnahe Mulde durch einen Grünzug geführt. Das im Baugebiet anfallende Niederschlagswasser fließt in offenen Rinnen dem Bach zu. Im Grünzug wird das Wasser zwischengespeichert und im Extremfall über das Regenklärbecken Teichmatten in die Wiese eingeleitet. Wenn bei Starkniederschlägen der Grünzug das Bachwasser nicht mehr aufnehmen kann, wird es am Baugebiet seitlich vorbeigeführt. Eine weitere Entlastung des Entwässerungsnetzes und eine Reduzierung der Einleitungsspitze wird durch die im Bebauungsplan vorgeschriebenen, begrünten Flachdächer erreicht.

Im privaten Bereich richtet sich der Appell laut Verwaltung an das Verantwortungsbewusstsein jedes Grundstückeigentümers. Hier müsse die Pflege und Instandhaltung von privaten Gräben und Bachläufen erfolgen. Dies sei besonders dann wichtig, wenn sie nur im Extremfall Wasser führen. Maßnahmen wie private Retentionsteiche und -zisternen, Versickerungsanlagen und Dachbegrünungen müssten weiter angestoßen werden.

Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung 
Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung sei hier das Schlagwort. Um Regenwasser erst gar nicht in die Kanalisation gelangen zu lassen, seien Gründächer am besten geeignet. Diese seien heutzutage nicht nur auf Flachdächern, sondern auch auf geneigten Flächen bis hin zu senkrechten Wänden möglich. Photovoltaik stelle keinen Widerspruch zur Dachbegrünung mehr dar. Ein positiver Nebeneffekt sei auch die Verbesserung des Mikroklimas im und um das Haus herum.

Zukünftig dürfe je Quadratmeter Grundstücksfläche nur noch eine bestimmte, geringe Menge Regenwasser in die Kanalisation eingeleitet werden. Entsprechende Regelungen treffen laut Verwaltung die Bebauungspläne. Sofern keine Rückhaltung auf den Dächern stattfinde, müsse der Rückhalt auf den Grundstücken anderweitig gewährleistet werden. Die Größenordnung der Rückhaltung werde durch den Versieglungsgrad des Grundstücks bestimmt – je weniger versiegelt sei, umso weniger müsse man zurückhalten.

Um den Regenwasseranfall im Bestand zu minimieren und Regenwassergebühren zu sparen, sollten laut Verwaltung Flächen entsiegelt werden. So lassen sich gepflasterte Hofbereiche mit Sickerpflaster auswechseln oder in eine Rasenfläche umnutzen. Ebenso kann ein Ziegel- oder Flachdach zum Gründach umgerüstet werden. Eine weitere Möglichkeit sei eine vollversiegelte Garagenzufahrt auf zwei Fahrspuren zu reduzieren. Bei geschickter Planung könne selbst bei einer Verdichtung der Bebauung mittels den genannten Möglichkeiten weniger Regenwasser in den Kanal eingeleitet werden als zuvor.