Von Veronika Zettler Lörrach. Sein Instrument passt in die Jackentasche, ihres benötigt einen Kleinbus. Auf Englisch heißen beide gleich: Harp. Der Mundharmoniker Max de Aloe und die Harfenistin Marcella Carboni spielten am Freitag im Jazztone. Vielleicht lag es am etwas missverständlichen Titel, dass die Besucherzahl überschaubar blieb. „Pop Harp“ – dahinter könnte man Kuschelrock spielende Rauschgoldengel vermuten. Was Max de Aloe und Marcella Carboni ablieferten, war indes ein Hörerlebnis erster Klasse. Chromatische Mundharmonika und elektroakustische Harfe fusionierten zu reinem Jazz in überraschenden Klangfarben. Die Harfe spielt in der Jazzgeschichte eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl behauptet sich das Instrument des Jahres 2016 auch im Jazz. Schon in den 30er-Jahren wurde sie vereinzelt integriert. In den 50er Jahren lieferten Stil-Pionierinnen wie Corky Hale und Dorothy Ashby wegweisende Arbeiten, später Alice Coltrane mit spirituellem Ansatz oder Zeena Parkins mit punkig-elektronischer Verfremdung. Heute machen gleich mehrere virtuose Harfenistinnen (auch) Jazz – tatsächlich sind es mehr Frauen als Männer. Eine von ihnen ist die sardische Spielerin Marcella Carboni. Die zweifach diplomierte Musikerin zelebriert technisch brillant die Ausdruckspalette ihrer blauen „Arpa“. Mit dem lombardischen Mundharmonikaspieler Max De Aloe hat sie einen kongenialen musikalischen Partner. Schon vor drei Jahren begeisterte De Aloe mit seinem Quartett im Jazztone, und schon da erinnerte er die Zuhörer an Mundharmonika-Legende Toots Thielemans. Die große Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten, die elegante, gefühlvolle Melodieführung, das facettenreiche Klangfarbenspiel, das beherrschen eben nur wenige. Im norditalienischen Gallarate leitet De Aloe das von ihm gegründete „Centro Espressione Musicale“. Dort lehrt er Klavier, Mundharmonika und Musiktheorie. Zugleich ist er offizieller Repräsentant der deutschen Hohner-Werke – im Laufe des Abends spielt er verschiedene Modelle bis hin zur großen Doppel-Bass-Harmonika. Mit Können und Spielfreude führen Marcella Carboni und Max de Aloe zwei Instrumente zusammen, die man sonst so gut wie nie im Duett hört und die doch klingen wie füreinander gemacht. Da wirkt nichts sperrig, ausgefallen oder virtuositätshalber erzwungen. Leicht und spielerisch bewegen sich die beiden auf dem, was sich als gemeinsames rhythmisches Terrain auftut: Mal ist es „Round Midnight“ von Thelonious Monk oder „Sicilienne“ von Gabriel Fauré, mal „Oblivion“ von Astor Piazzolla oder „Rebulico“ von Hermeto Pascoal. Die Fünf-Pedal-Harfe erweist sich als stilistischer Tausendsassa. Und doch vermeidet Marcella Carboni romantische Stereotype. Da wird geloopt, da werden Gitarrenklänge von Antonio Jobim zitiert, da kommen, wie in der Carboni-Komposition „Ciao Manu“, alle Spieltechniken hintereinander zum Einsatz. Überhaupt sind es die Eigenkompositionen, die Eindruck hinterlassen. Etwa „Il Bosco Che Chiamavano Respiro“ (Der Wald, den sie Atem nannten), eine der wunderbaren musikalischen Fabeln von Max De Aloe.