Lörrach Schwebende Töne im Raum

Die Oberbadische
Blick auf die Orgel in der Stadtkirche Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Urwalddoktor Albert Schweitzer war begeistert von Orgel in der Stadtkirche

Von Herbert Sitterle

Lörrach. Schlicht wirkt die Stadtkirche im Gewand des badischen Klassizismus und das gilt auch für die Orgel. Die Orgel besticht durch seine Einfachheit und der wunderschönen Symmetrie.

Gebaut hat diese Orgel in der Zeit um 1780 der Orgelbauer Johann Baltasar Friedrich Stieffell aus Rastatt. Er galt als einer der qualifiziertesten, rechtsrheinischen Orgelbauer. Unter äußerst schwierigen Bedingungen wurde in einer dreijährigen Bauzeit 1817 die neue Stadtkirche eingeweiht.

Gerne hätte die Gemeinde auch eine neue Orgel angeschafft, denn die Stieffell-Orgel war in die Jahre gekommen. Doch dafür waren die Mittel nicht vorhanden. Also wurde die alte Orgel in die neue Kirche eingebaut.

Als es gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Lörrach einen großen wirtschaftlichen Aufschwung gab, konnte die Gemeinde eine neue Orgel bei der Firma E.F. Walcker in Ludwigsburg in Auftrag geben. Walcker zählte zu den führenden Orgelbauern des aufkommenden romantischen Stils. Er baute die Orgel mit einem neu entwickelten Windladesystem, der romantischen Kegellade, 22 klingende Register auf zwei Manualen und Pedal in das alte Gehäuse ein. Die Abstimmung zwischen Klangvolumen und Raum war gelungen. Am Bußtag, dem 18. November 1882, wurde die neue Orgel eingeweiht und Pfarrer Karl Höchstetter hielt eine beeindruckende Predigt.

Diese romantische Orgel war ein ganz neues Klangerlebnis. Da klangen manche Pfeifen wie Waldhörner oder wie Geigen und durch die Mischung der Register hatte man das Gefühl, als schwebten die Töne im Kirchenraum, als spiele ein ganzes Orchester. Die Gemeinde war fasziniert Gerade in der Zeit der Romantik erlebte die Orgel eine neue Blüte und es entstanden viele bedeutende Orgelwerke.

Manch schöner Gottesdienst und beeindruckendes Orgelkonzert erlebten die Bürger der Stadt. Doch dann kamen die beiden Weltkriege. Die Glocken wurden herunter geholt und zu Kanonen eingeschmolzen und auch die wertvollen Zinnpfeifen wurden ausgebaut.

In den Weltkriegen und durch Eingriffe der Nachkriegszeiten hatte die Orgel schwer zu leiden. Trotz allem war Albert Schweitzer, als er einmal auf ihr spielte, beeindruckt. Er bemerkte: „Noch nie in meinem Leben habe ich ein so wunderbar klingendes Violoncello im Pedalregister  erlebt oder gehört.“

1965 entschloss sich der Kirchengemeinderat die Orgel grundlegend neu herzurichten. Zu heftigen Auseinandersetzungen kam es bei der Frage, welches Klangbild soll entstehen? Die Nachkriegszeit war geprägt von der Bewegung der Rückbesinnung: Beim Orgelklang sehnte man sich wieder nach klaren, hellen, obertonreichen Klängen der Barockinstrumente, den authentischen Orgelklang, wie er schon für die Zeit von M. Prätorius bis G. Silbermann gültig gewesen war.

Orgel wird bei Kirchenrenovierung ebenfalls übrearbeitet

Kantor Dr. Karl–Friedrich Rieber setzte sich vergeblich für die romantische Orgel ein. Rieber war auch der Gründer des Motettenchors. Die Barockfraktion setzte sich durch, zumal das die kostengünstigere Variante war. Rieber war wütend. Doch als er den neuen Klang vernahm, war er angenehm überrascht.

1989 fand eine weitere Überarbeitung und Erweiterung durch Peter Vier aus Friesenheim statt, der die Wagnersche Werkstätte übernommen hatte. Im Rahmen der bevorstehenden Renovierung der Stadtkirche wird auch die Orgel überarbeitet.

Martin Kares vom Orgelprüfungsamt schrieb kürzlich: „Handwerklich ist dieOrgel gut gebaut und funktioniert technisch sehr gut. Sie integriert Pfeifenbestände aus zwei Vorgängerorgeln. 1989 bestand beim Orgelbauprojekt der Ehrgeiz, möglichst viele Register auf kleinem Raum unterzubringen. Nun zeigen sich bei der Nutzung Probleme. Die Register des Schwell- und Pedalwerks sind sehr schlecht wart- und stimmbar und können nicht gut in den Raum abstrahlen. Ich möchte die Gemeinde ermutigen, die Gelegenheit zu nutzen, die Stärken des Instruments zu erhalten und die Schwächen zu beseitigen“.

Ob es dann wieder zu einem neuen Klangereignis in der Stadt kommt? Warten wir`s ab.

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