Von Kristoff Meller
Lörrach. Die Öfen sorgen für eine mollige Wärme und es duftet nach frisch gebackenem Laugengebäck. In der Backstube von „Heiner’s Backparadies“ in Tumringen herrscht geschäftiges Treiben. Doch Hamadi Sowe sticht unter all den in weiß gekleideten Mitarbeitern mit seiner dunklen Hautfarbe sofort heraus.

Der 33-Jährige war in seinem Heimatland Gambia als Fahrer für Personen und Waren unterwegs, nun spült er Backbleche und formt „Laugenfinger“. Der kleinste Staat Afrikas ist gleichzeitig einer der ärmsten der Welt. Seit dem vergangenen Jahr häufen sich die Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen im autoritär regierten Land. Viele junge Männer zieht es darum zur Arbeitssuche nach Europa. Auch Hamadi Sowe. Ende Oktober landete er in der Gemeinschaftsunterkunft in der Gretherstraße, wo er sich mit elf Landsleuten eine Vier-Zimmer-Wohnung teilt. Sieben Monate später ist er froh, endlich einen Job gefunden zu haben: Ich will arbeiten, nicht rumsitzen“, sagt er motiviert.

Sein Start in der vergangenen Woche verlief allerdings nicht ganz optimal, weil deutsche Bäcker und afrikanische Flüchtlinge unter „drei Uhr“ etwas anderes verstehen. Als Sowe um 15 Uhr ankam, war die Backstube verschlossen. Die Arbeitszeit dauert von 3.30 bis 12.30 Uhr, danach legen sich die Bäcker erst einmal aufs Ohr.

Leistungsfaktor erst bei 40 Prozent

„Seither ist er stets pünktlich und zuverlässig“, versichert sein Chef Heiner Rexrodt. Das Arbeitstempo des als Bäckereihelfer zum Tariflohn eingestellten Afrikaners sei hingegen noch sehr ausbaufähig: „Nach einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten sollte der Leistungsfaktor bei 80 Prozent liegen, momentan würde ich ihn bei 40 Prozent ansiedeln.“

Das liege unter anderem an der Sprachbarriere. Sowe spricht nur etwas Englisch, wie die meisten anderen Mitarbeiter: „Meine Schulzeit liegt lange zurück“, erklärt Hanspeter Stiegeler. Wichtiger als die Sprachkenntnis ist für ihn aber die Motivation des Neuen: „Man muss sehen, dass er sich bemüht.“ Sowe hat laut Rexrodt bislang vor allem seine Mühe mit dem Tempo: „Er hat eine relativ langsame Art sich zu bewegen, in der Backstube sind aber flinke Typen gefragt. Wir haben viele Fixpunkte, an denen etwas fertig sein muss, die übrigen Mitarbeiter müssen das momentan ausgleichen.“ Damit der Betrieb nicht zu sehr leidet, wird das Team ab Montag mit einer zusätzlichen Arbeitskraft verstärkt.

Rexrodt hat die Hoffnung in Sowe aber noch nicht aufgegeben: „Ich bin der Meinung, dass Menschen für 60 Prozent aller Arbeiten geeignet sind, es kommt nur auf das eigene Wollen an.“ Durch die Arbeit im Team könne er zudem viele Abläufe schnell lernen. „Rein betriebswirtschaftlich war die Einstellung eine falsche Entscheidung, aber das war mir schon im Vorfeld klar“, sagt Rexrodt. Die Vorkommnisse bei der Suche nach einem Grundstück für eine Gemeinschaftsunterkunft in Brombach im vergangenen Jahr haben ihn dennoch dazu bewogen: „Das war eine Katastrophe, die Flüchtlinge wurden schon im Vorfeld verurteilt.“

Als Ende April ein Mitarbeiter ausschied und sich der Afrikaner auf die freie Stelle bewarb und beim Gespräch einen „akzeptablen Eindruck“ hinterließ, gab ihm Rexrodt eine Chance: „Arbeit ist ideal, um sie zu integrieren. Wer arbeitet, ist tagsüber beschäftigt, abends müde und kommt nicht auf dumme Gedanken. Außerdem finden sie so schneller Anschluss.“ Der Integrationsprozess sei damit aber „noch lange nicht abgeschlossen – nur für das Amt, weil sie keine Kosten mehr haben“, sagt Rexrodt.

Denn trotz Arbeitsstelle bleiben die Flüchtlinge so lange in der Unterkunft, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Dabei sind dort die Bedingungen für Berufstätige – insbesondere für Bäcker mit speziellen Arbeitszeiten – alles andere als optimal.

Neben Sowe waren inzwischen sieben weitere Flüchtlinge, die in der Gemeinschaftsunterkunft leben, erfolgreich bei der Arbeitssuche. Vier kamen bei McDonald’s unter, einer bei Burger King und je einer bei „Lord of Tofu“ in Brombach und bei „Brot & Pfeffer“ im Hieber. Die meisten gehören zu den ersten Asylsuchenden aus Gambia, die im Oktober nach Lörrach kamen, wie Ulrike Krämer, Heimleiterin der Gemeinschaftsunterkunft, erklärt.

Es sei gesetzlich geregelt, dass die Flüchtlinge frühestens nach drei Monaten arbeiten dürfen. „Dann müssen sie erst eine Stelle in Aussicht haben, um mit der vom potenziellen Arbeitgeber ausgefüllten Stellenbeschreibung die Arbeitserlaubnis zu beantragen“, berichtet Krämer. Die Ausländerbehörde lasse dann bei der Arbeitsagentur prüfen, ob die Stelle nicht anderweitig besetzt werden könne.

Ein großes Problem ist laut Krämer auch die Eröffnung eines Kontos: „Das Geldwäschegesetz verlangt, dass dafür die Herkunft eindeutig geklärt sein muss.“ Hamadi Sowe, der wie viele andere ohne Pass nach Deutschland kam, verfügt über kein Konto. „Wir klären das gerade“, sagt Krämer. Bislang teilen sich mehrere Flüchtlinge das Konto eines Mannes, der seine Identität nachweisen konnte. Sprachprobleme schnell angehen

Auch die Sprachprobleme möchte die Heimleiterin möglichst schnell angehen. Sowe besuchte bislang zweimal in der Woche vormittags einen vom Freundeskreis Asyl angebotenen Sprachkurs. Seit er arbeitet, geht das nicht mehr. „Wir müssen einen zusätzlichen Kurs am Nachmittag einrichten“, weiß Krämer. Das braucht aber Zeit. Bis dahin beschränkt sich der Kontakt mit der deutschen Sprache für den Gambianer vorerst auf Anweisungen und Erklärungen in der Backstube. Dennoch behält Hamadi Sowe sein Ziel fest vor Augen: „Ich möchte dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten.“