Lörrach „Seid ihr noch bei Verstand?“

Die Oberbadische
Marcel Reif las aus seinem Buch. Foto: Gerd Lustig Foto: Die Oberbadische

Lesung: Fußballkommentator Marcel Reif las bei „Kastl“

Von Gerd Lustig

Lörrach. Süffisant, ironisch, manchmal auch ein wenig arrogant, aber stets mit viel Sachverstand lässig ausgesprochen: So waren sie die Fußball-Kommentierungen von Marcel Reif im Fernsehen. Mehr als 30 Jahre lang war er stilprägend, verband Unterhaltung mit scharfer Analyse und Intelligenz. Nachdem sich der 67-Jährige im vergangenen Jahr von seinem TV-Job zurückzog, veröffentlichte er das Buch „Nachspielzeit – ein Leben mit dem Fußball“. Aus diesem Werk las er am Freitagabend in der Lörracher Buchhandlung Kastl. Außerdem stellte er sich den Fragen des Journalisten Toni Nachbar und des Publikums.

Frei von der Leber weg, abseits von Allüren und Gehabe, präsentierte sich Reif als wunderbarer Plauderer der Fußballszene. Er spricht dabei stets die Sprache des Fußballfans, nimmt mitunter kein Blatt vor den Mund, ist ehrlich, offen und schildert unverstellt die Dinge aus der Sicht, wie er sie in seinem bewegten Leben als Sohn einer schlesisch-deutschstämmigen Katholikin und eines jüdischen polnischen Vaters sieht. „In einer Unterströmung trägst du stets den Blick auf die Welt, aus der du kommst und die du erlebt hast“, erklärte er.

Den Fußball hat er immer geliebt, auch wenn das Ressort Sport zu Beginn seiner Berufskarriere nicht die erste Wahl war. Reif, der bis „zur Schwelle des Profifußballers“ beim 1. FC Kaiserslautern kickte, hatte eigentlich Politikredakteur werden wollen. Doch es kam anders beim ZDF. Der Fußball und die Kommentierung über das größte Spektakel, das unsere Gegenwart zu bieten habe, sind ihm ans Herz gewachsen und zu seiner Lieblingsaufgabe geworden.

Gleichwohl wirft Reif, der in der Nähe von Zürich lebt, ein zwiespältiges Bild auf den heutigen Fußball. „Der Gigantismus muss aufhören“, fordert er. Auch mit der Kommerzialisierung komme er nicht mehr klar. Ebenso mag er nicht mehr mitgehen bei den überbordenden Selbstinszenierungen der Spieler. Auch die Machenschaften des Weltfußballverbands sind ihm ein Gräuel. Die Gier sei einfach endlos. Und so kommentiert er Pläne, bei der WM 2022 in Katar die ansonsten bis zu 50 Grad heißen Stadien runterzukühlen mit dem Satz: „Seid Ihr noch bei Verstand!“

Aber auch der Fußball, wie er heute gespielt, ist nicht immer sein Ding. „Die Spiele erfrieren oft in der Taktik“, erklärt und fordert stattdessen: „Fußball muss was Kindliches, was Anarchisches haben.“ Den Hut zieht Reif vor Trainern wie Christian Streich vom SC Freiburg: „Der ist authentisch, der ist so, wie er ist.“

Verändert habe sich der moderne Fußball allemal, plaudert Reif. Vor allem die Rolle des Torhüters habe sich in dem Spiel, in dem Fachbegriffe wie „Umschaltspiel“ oder „Spiel gegen den Ball“ Platz greifen, gewandelt. Bayern-Torwart Manuel Neuer hält er daher für den besten seines Fachs: „Weil der auch Fußball spielen und das Spiel lesen kann.“

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