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Lörrach Thema Essen bestimmt alles

Die Oberbadische
Lucia Engombe Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Lucia Engombe aus Namibia berichtet von Krieg, Flucht und Kindheit in der DDR

Lörrach-Hauingen. Eine spannende Religionsstunde erlebten die Zweit-, Dritt- und Viertklässler der Astrid-Lindgren-Grundschule in Hauingen. Ihre Religionslehrerin, Rita Sprich, hatte einen Überraschungsgast eingeladen: Lucia Engombe aus Namibia, die gerade im Kirchenbezirk zu Gast war.

Engombe freute sich, den Kindern zu begegnen, und mit ihnen über ihre eigene Kindheit ins Gespräch zu kommen. Auf sehr feinfühlige Weise führte sie die Kinder an ihre schwierige Situation heran, die sie erlebt hat, als sie selbst in diesem Alter war. Seit ihrem zweiten Lebensjahr auf der Flucht, die Eltern wegen politischer Aktivitäten gegen die Apartheid im Gefängnis, sie selbst im Flüchtlingslager. Eines Tages wurde sie gefragt, ob sie nach Deutschland wolle. Sie hatte keine Ahnung, was Deutschland ist, sie war nur überzeugt: Besser als dort zu leben, wo sie war, musste es auf alle Fälle sein. Also stimmte sie zu, stieg in den Kleidern, die ihr die Mutter einer Freundin geschenkt hatte, in den Bus und wurde in die ehemalige DDR gebracht. Dort verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend in verschiedenen Kinderheimen. Das Ziel war, die Kinder zur neuen Elite Namibias zu erziehen. Dazu gehörte nicht nur eine gute Schulbildung, sondern auch militärische Übungen.

Das alles bestimmende Thema für Lucia Engombe war damals und auch in ihrem Erzählen das Essen: wie man Vögel schießt, wie man eine Maus brät und auf sechs Kinder aufteilt. Diese Erfahrung kannten die Kinder aus der Grundschule nicht – höchstens die, dass ihnen nicht schmeckt, was auf dem Teller ist. Über Kriege, Bomben, Flucht, Gefährdung wussten sie zum Teil aus den Kindernachrichten gut Bescheid. Was es bedeutet, von den Eltern getrennt zu sein, konnten sie nachfühlen, denn das will kein Kind.

Lucia Engombe arbeitet heute als Journalistin beim Radio in Namibia. In ihrer Freizeit schart sie Kinder von der Straße um sich, um mit ihnen die Freizeit zu gestalten, aber auch, um mit ihnen Lesen und Schreiben zu lernen. Angeregt hat sie, Brieffreundschaften zwischen den Kindern aus Hauingen und Windhoek ins Leben zu rufen.

In genauso beeindruckender Weise hat Lucia Engombe im Rahmen eines Abends der Katholischen Frauengemeinschaft St. Josef berichtet. Vorstandsmitglied Helga Wagner konnte an die 40 Personen begrüßen. Karl-Frieder Walz, der den Kontakt geschaffen hat, und sie konnten bei den Erwachsenen noch deutlicher die geografischen und politischen Hintergründe und manche weiteren Details darstellen.

Von Interesse war auch die Frage, wie sie ihr Leben so meistern konnte, dass sie jetzt selbstbewusst und voller Initiative in die Hand nehmen kann. Was hat ihr geholfen? Ihre Biografie in einem Buch aufzuschreiben („Kind Nr. 95“) war ein wichtiger Schritt. Immer wieder trifft sie sich mit „Ex-DDR-Kindern“. Zu akzeptieren, dass sie ihre Zukunft in Namibia, und nicht, wie sie es sich vorgestellt hatte, als Ärztin in Deutschland, verbringen würde, war ein weiterer wichtiger Schritt.

Und welche Tipps hat sie für die Menschen in Lörrach, in deren Nähe eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge entsteht? „Machen Sie sich klar: Niemand kommt freiwillig. Alle wollen zuhause bleiben. Aber was sie noch dringender brauchen, ist Sicherheit und etwas zu essen. Wer nach Deutschland kommt, ist nur mit seinem Körper da. Die Kriege gehen in den Köpfen weiter, die Albträume kommen jede Nacht.“

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