Herr Martin ist dreifacher Familienvater. Man kennt ihn als engagierten Elternbeirat am Lörracher Hebelgymnasium. Sein Vorname deutet auf die Leidenschaft hin, der er in seiner Freizeit frönt. Das merkt man aber nur, wenn man ihn geschrieben liest: „paTrick“ Martin ist Donaldist.

Von  Dorothee Philipp
Lörrach. Trick ist der zweite Neffe der berühmten Ente aus Entenhausen. Das passt. paTrick Martin erforscht mit Gleichgesinnten die Welt der Entenhausener Einwohner, soziologisch, physikalisch, kulturell, technisch, botanisch, faunistisch, anatomisch, juristisch - eben alles. Martin ist „EhrenpräsidEnte“ der D.O.N.A.L.D., der „Deutschen Organisation Nichtkommerzieller Anhänger des Lauteren Donaldismus“ und hat zahlreiche eigene Forschungsarbeiten veröffentlicht. Darunter die „Anmerkungen zur Anatomie des anatiden Auges“, in denen er unter anderem beweist, dass die Augen Donalds in Wirklichkeit nur eines sind, aber dafür mit zwei Pupillen.

Das Vermächtnis von Barks und Fuchs

Der Lautere Donaldismus gibt sich nicht mit den schnell dahingezeichneten Comics der aktuellen Donald-Hefte ab. Seine Grundlage sind die Zeichnungen von Carl Barks, des genialen amerikanischen Comic-Autors, der im Jahr 2000 im Alter von 99 Jahren starb. In Deutschland erlangten „Die tollsten Geschichten von Donald Duck“ aus Barks’ Feder Berühmtheit, nicht zuletzt auch durch die geniale Übersetzung von Erika Fuchs, die immer wieder versteckte Zitate und literarische Anspielungen in den Alltagssprech der Entenhausener Bewohner einfließen lässt.

Der Akademikerin mit dem breiten Hintergrundwissen ist sogar ein grammatikalischer Begriff, der „Erikativ“ gewidmet: Mit dem auf den Wortstamm verkürzten Verb beschreibt sie als Erste bildlich schwer Darstellbares wie Geräusche: schepper, schluck, stöhn, knarr oder seelische Zustände: zitter, grübel. 7000 Seiten stark ist die „Bibel“ der Lauteren Donaldisten, also die Ausgaben von Barks und Fuchs, aus der sie immer neue Forschungsgebiete herausziehen. Der Kanon ist abgeschlossen, weil auch Erika Fuchs nicht mehr lebt: Sie starb 2005, ebenfalls 99-jährig.

Hinterfragen und forschen

paTrick Martin hat auch über die „Quantenchromodynamik des stella-antium-Universums“ geschrieben, das sich stark vom unsrigen unterscheidet, ein schwer lesbarer, zehnseitiger Essay, der aber durch originale Bildzitate verständlich wird.

Die Frage, wie man Donaldist wird, kann Martin nicht mehr hören: Man ist es oder man ist es nicht. Fertig. Der Donaldist liest die Hefte nicht (die kennt er schon), sondern hinterfragt, was er sieht, entdeckt immer neue Phänomene. Warum hat die Ente mal vier und mal fünf Finger? Und warum sieht man manchmal Zähne im Schnabel, etwa wenn Zorn aufkommt? „Donald Duck (Martin spricht das Duck mit dem deutschen „u“) ist ein Mensch der aussieht wie eine Ente“, folgert er. Und der Zeichner irrt niemals, deswegen reizt es, solch rätselhafte Wandlungen zu erforschen.

 Der typische Donaldist ist männlich, stammt aus den 1960er-Jahrgängen, die mit den wahren Geschichten aus Entenhausen von Barks und Fuchs aufgewachsen sind, hat meist eine Universität von innen gesehen und erfreut sich an einem auf Forschung ausgerichteten „Denk-Hobby“. Einige Ausnahmen  bestätigen die Regel.

Nur die Eingeweihten erkennen die Zeichen

Donaldismus ist eine ernsthafte Wissenschaft. „Sehen Sie hier irgendwo Donald-Bilder an den Wänden?“, fragt er beim Gang durchs Haus. Um die Leidenschaft seiner Bewohner – auch die Kinder sind schon „sehr angesteckt“ – zu erahnen, muss man einen geschulten Blick haben. Dann fällt der kleine Holzwegweiser nach Timbuktu auf, der wie zufällig auf dem Rasen im Vorgarten steht oder die 313 auf dem Nummernschild des Martin’schen Autos. An der Stadtgrenze von Entenhausen gibt es Wegweiser nach Timbuktu, falls es erforderlich wird, die Stadt zu verlassen, klärt Martin auf. Und Donalds Auto, der Dreihundertdreizehner, ist „mit Abstand das bekannteste wiederkehrende Gefährt in den Disney-Comics“, erläutert duckipedia.de. Für das Schild „LÖ-DD 313“ ist paTrick Martin zu spät gekommen: Das hat ihm ein anderer vor der Nase weggeschnappt. Vermutlich auch ein Donaldist.

Wie fühlt man sich als Donaldist unter Nicht-Donaldisten? Martin hebt die Schultern: „Man merkt oft, dass man nicht ernst genommen wird. Aber da steht man drüber“. An der Zürcher Uni hat er einen Vortrag über „Geologie in Entenhausen“ gehalten, das war der örtlichen Presse ein Interview wert. Und darauf brachte die Boulevardzeitung „Blick“ das Gerücht auf, es werde demnächst einen Lehrstuhl für Donaldismus an der renommierten ETH geben.

Ist die Beschäftigung mit der Ente in ihrem „Anaversum“ lustig? „Beim 100. Mal lesen amüsieren wir uns auf einer anderen Ebene“, meint Martin. Derzeit erforscht er den „Polybrachismus“, die Vielarmigkeit, wenn eine Figur in Rage gerät oder trommelt. „Das sieht nicht nur so aus, als ob Donald dann sechs Arme hat, sondern zu dem Zeitpunkt hat er die wirklich“.

Raum, Zeit, optische Phänomene – das menschliche Wissen ist immer zu klein, um „ent“-gültige Antworten zu geben. Eine beantwortete Frage produziert drei neue. Deswegen gehen die Donaldisten bei ihren Treffen auch manchmal einen Feldversuch an, in dem sie die Realisierbarkeit von Geschichten untersuchen, indem sie diese live nachstellen. Das Anaversum ist unendlich.

Hilfreiche Internetseiten: www.donald.org und  www.duckipedia.de