Lörrach „Virus. Alles kaputt!“

Die Oberbadische
Foto: Guido Neidinger      Foto: Die Oberbadische

Wirtschaft: Cyber-Angriff hat Lörracher Milka-Werk lahmgelegt / Dutzende Lkw-Fahrer zum Nichtstun verurteilt – ebenso die Mitarbeiter

Von Guido Neidinger         und Tim Nagengast

Offenbar seit Dienstag geht nichts mehr im Lörracher Milka-Werk. Die Produktion steht still. Der Grund dafür ist die weltweite Cyber-Attacke, die auch den Lebensmittelkonzern Mondelez schwer getroffen hat (wir berichteten).

Lörrach. In der lang gezogenen Zufahrt des Milka-Werks an der Brombacher Straße – hinter dem Mitarbeiter-Parkplatz – reiht sich Lastwagen an Lastwagen. In Zweierreihen warten sicherlich 40 bis 50 Lkw-Fahrer darauf, ihre Ladung im Milka-Werk löschen oder Ware aufnehmen zu können. Aber es tut sich nichts bei Milka.

Während das Unternehmen sich komplett in Schweigen hüllt und nichts preisgibt, liegen uns erste Informationen aus der Belegschaft vor. Danach soll die Produktion seit Dienstag stillstehen. Es war der Tag, an dem der globale Cyber-Angriff erfolgte.

Wahrscheinlich haben Hacker eine Windows-Sicherheitslücke genutzt, um Konzerne und Behörden in aller Welt lahmzulegen – darunter auch Mondelez. Warum dies bei einem weltweit agierenden Konzern wie Mondelez möglich war, ist noch nicht bekannt. Bestätigt aber wurde von dem Unternehmen in einer Pressemitteilung, dass die elektronischen Systeme weltweit lahmgelegt seien, und die Experten fieberhaft damit beschäftigt seien, offene Schwachstellen zu beheben und die Systeme wieder in Gang zu bringen.

Das bestätigte uns am Mittwoch auch Pressesprecherin Heike Hauerken. Zu den Problemen im Lörracher Werk, für das sie zuständig ist, aber sagte sie nichts. Gestern war sie überhaupt nicht mehr telefonisch erreichbar.

Unsere Information aus der Belegschaft, dass im Lörracher Werk seit Dienstag keine Schokolade mehr vom Band läuft, deckt sich mit Verlautbarungen aus anderen Milka-Werken. So standen – auch seit Dienstag dieser Woche – im belgischen Werk Namur ebenfalls die Bänder still. Das bestätigte dort eine Unternehmenssprecherin dem ostbelgischen Sender „BRF Nachrichten“. Gestern soll die Produktion in Namur wieder langsam angelaufen sein.

In Lörrach war davon zur gleichen Zeit noch nichts zu erkennen. Auf dem Firmengelände an der Brombacher Straße herrschte auch gestern ungewöhnliche Ruhe.

Kein Wunder: Die meisten Mitarbeiter sollen unseren nicht bestätigten Informationen zufolge nach Hause geschickt worden sein. Ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will, erklärte unserer Zeitung gegenüber: „Wir stehen auf Abruf bereit.“ Wann ihre Firma sie wieder braucht, ist unklar.

Auch die Lkw-Fahrer, die auf dem Gelände des Milka-Werks seit Tagen zum Nichtstun verurteilt sind, wissen nichts. „Virus. Alles kaputt“, meinte ein ukrainischer Brummifahrer achselzuckend. Er steht seit zwei Tagen mit seinem leeren Lkw weit hinten in der Schlange und wartet auf seine Schokoladenladung. Diese soll er nach Frankreich bringen. Ein Kollege aus Lettland steht schon seit drei Tagen in Lörrach. Er will seinen Lkw ebenfalls beladen. Sein Ziel: England.

Die Fahrer stehen in Grüppchen zusammen oder vertreiben sich die Zeit in ihren Fahrerkabinen. Gegenseitig geben sie sich Tipps, wo man Wäsche waschen kann. Mit einem Bündel macht sich ein Lkw-Fahrer auf den Weg zum Waschsalon neben der nahegelegenen Jet-Tankstelle.

Die Schäden für Mondelez sind unabsehbar. Ob es zu Engpässen bei der Belieferung der Kunden kommt, und wie groß diese Engpässe sind, ist nicht bekannt. Möglicherweise kann Mondelez dies gegenwärtig selbst noch nicht abschätzen.

Im Normalbetrieb können in Lörrach von der 500-köpfigen Belegschaft in drei Schichten rund um die Uhr bis zu 4,5 Millionen Tafeln Schokolade täglich produziert werden.

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