Lörrach Vom universell Menschlichen

Die Oberbadische
Corou de Berra“ mit Michel Blanco, Joris Barcaroli, Claudia Musso, Francoise Marchetti. Mittig: Schauspieler und Sprecher Christan Heller Foto: Dorothea Gebauer Foto: Die Oberbadische

Konzert: Stimmen aus Italien und Frankreich in der Lörracher Stadtkirche

Lörrach. Als würden sie sich die aufregendsten Geschichten zu erzählen haben, als wären sie von einer überwältigenden Botschaft erfasst, stehen die Sänger von „Corou de Berra“ im Halbkreis und singen einander zu. Immer im Augenkontakt, lächelnd, mit lebhafter Gebärde, Hand und Körper gehen immer mit.

Zwischen den vier Sängern zündet, was in stetem Austausch innerhalb der Alpen- und Seenlandschaft, zwischen Italien und Frankreich über Jahrhunderte an Sangeskultur gewachsen ist. Über die zahlreichen Besucher der Stadtkirche beim zweiten Konzert von „Stimmen im Advent“ ergießt sich ein Füllhorn aus Liedern. Claudia Musso, Francoise Marchetti, Joris Barcaroli und Michel Blanco bringen Beiträge aus der Provence, dem Piemont oder aus Ligurien. Darin wechseln farbige Dialekte und entwickeln sich reichhaltige Themen.

Es scheint so, als ob eintöniger Nationaldenke die Vielstimmigkeit der Regionen entgegengehalten würde. Die Trennung: Hier endet Frankreich, dort beginnt Italien wird im Gesang aufgelöst und durch Themen des universell Menschlichen ersetzt. Der Sehnsucht nach Frieden etwa, nach dem Lob der Frau Maria oder dem Anblick kleiner Boote im Hafen von Nizza, die einen von der großen weiten Welt träumen lassen.

Die Sänger aus Südfrankreich faszinieren mit kehligen Stimmen und Lauten, die zuweilen die Nähe zu Nordafrika anklingen lassen. Sie übermitteln den Liebreiz, der in der Einfachheit des „chant“ liegt, mal kokett, mal ernst. Waren es nicht Bauern oder Hirtenmädchen, die vom Licht der Weihnachtsbotschaft getroffen wurden und diese am ehesten verstanden?

Diese Direktheit, das Unverfälschte ist es, das den Gesang der Vier aus Nizza so attraktiv macht. Es ist die warme Sinnlichkeit, die die heilige Andacht eines Magnificats umgibt und die berührt. Stimmlich ist ihre Arbeit eine große Herausforderung. Damit gehen die Künstler hellwach um, aufeinander hörend, gehen sie in feinste Tonlagen oder Tonhöhen hinein. „Garibaldi“ als Zugabe ist dabei nicht nur zart, sondern schmissig, hat Temperament und Feuer.

Die Lesung der „Besteigung des Mont Ventoux“ von Franceso Petrarca (1304 – 1374) verdichtet auf organische Weise das Gesungene und ist wie dieses auch im Grenzland verortet. Schauspieler Christian Heller liest so, als ginge er mit einem ins Gespräch, als wolle er sein Gegenüber freundlich herausfordern. Die Geschichte der freiwilligen Besteigung eines Berggipfels ist bei ihm nicht nur tief schürfende Reflexion, sondern gewinnt in dieser Rezitation an Witz, an Schlagfertigkeit und ist Einladung, den Weg der eigenen Seele zu bedenken. Sie ist nämlich, so Petrarca in Anlehnung an die Bekenntnisse des Augustinus, ein Buch, das der Pilger und Wandernde immerzu bei sich trägt, das „edelste Teil“ in uns. „Welchen Adel diese besitzen könnte, wenn wir uns nicht andauernd zerstreuten!“ „Wenn wir uns nur ihr widmen würden!“ sagt Petrarca und seufzt augenzwinkernd Christian Heller.

„Wenn du beim Wandern nicht vorwärtsgehst, fällst du,“ übersetzt Joris Barcaroli eine Zeile eines Chant. Das ist richtig, möchte man nach diesen frischen Beiträgen sagen. Es kann aber nicht nur darum gehen, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Man sollte dabei singen und dem Stern folgen. Nur so erreicht man den Gipfel.

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