Von Ursula König
Lörrach.  Die ganze Stadt ist Klang: Lörrach wurde am Samstag zum 14. Mal von einer Vielzahl an Stimmen erobert und auf eigene Weise neu entdeckt – auch wenn nicht alles nach Plan verlief.

So musste der Sternchor zu Beginn ausfallen aufgrund der Erkrankung einiger Mitglieder beteiligter Chöre. Nach kurzen Wetterkapriolen am Vormittag stand dann einem sonnigen Tag, der im Zeichen des Verbindenden und der spontanen Mitmachaktionen stand, nichts mehr im Weg.

Und so zeigte sich die Stadt bei einem Rundgang: Klänge der Formationen verweben sich beim Weitergehen und legen sich wie ein kunstvoller Klangteppich über die Straßen und Gassen. Ein besonderes Flair liegt in der Luft. Energiegeladen und schwingungsvoll bahnen sich Töne und auch Menschen, so scheint es, einen Weg durch Lörrach. Spontan mit einfallen, den Rhythmus aufgreifen oder einfach nur staunen angesichts der Interpretationsmöglichkeiten bekannter Lieder und Interpreten ist angesagt. Grenzen werden aufgehoben und weite Räume musikalisch erkundet.

Singen, das wird deutlich, „macht vor allem gute Laune“. Was der Singkreis von „Leben und Wohnen“ für sich entdeckt hat, ist in der Innenstadt mit den Kursleitern Fritz Schmidt und Martin Kienzler eindrücklich zu erleben. „Inklusion“ heißt der Begriff, der während des Auftritts wie selbstverständlich gelebt wird. Und so erklingt die bekannte Volksweise „Die Gedanken sind frei“ vielstimmig und mit Schlaginstrumenten unterstützt ohne trennenden Graben. Wo das Publikum aufhört und die auftretende Künstlergruppe beginnt, zu der viele Rollstühle gehören, ist schwer auszumachen. Die Gruppe hat sich den Auftritt in der Öffentlichkeit gewünscht, erklärt Chorleiter Schmidt. „Leben lebt vom Aufbruch“; das Motto der Rasselbande von „Leben und Wohnen“ scheint sich bei einem Rundgang fortzusetzen.

„I´m on my way“ (sinngemäß: Ich gehe meinen Weg), wird von unterschiedlichen Formationen interpretiert. Beweglichkeit, Flexibilität, scheint das Stichwort zu sein, mit dem unzählige Passanten erreicht werden. Die Offenheit, mit der manche Chöre eine bühnenreife Show mitten auf der Straße gestalten, zählt ebenso dazu, wie die Farbtupfer, die für manche Formationen typisch sind. Bunt und fröhlich ist das große Singen in der Innenstadt und die Auswahl fällt nicht immer leicht.

Wie verschiedene Stilrichtungen in 20 Minuten unterzubringen sind, erleben Zuhörer ebenso hautnah wie musikalische Reisen, die irgendwo zwischen Afrika und Osteuropa pendeln. Blues und Gospels stehen folglich genauso auf den Programmen wie Volksweisen und klassische Musik. Wer sich musikalisch weiterbilden möchte, kann bei dieser Gelegenheit einen der angebotenen Workshops für Gesang oder zur Stimmbildung in der Stimmen-Werkstatt belegen. Improvisieren und experimentieren waren im Burghof und in der Stadtkirche angesagt.

Einen stimmigen Ausklang zum Fest der singenden Stadt bietet traditionell um 18 Uhr die Außenbühne neben dem Burghof. Die Soulfamily aus Freiburg versteht es eindrucksvoll, die Zuhörer in das „große Singfinale“ einzubinden. Joel da Silva, der während des Tages an verschiedenen Orten zum Improvisieren einlud, fasst den Tag klangvoll zusammen: „Oh happy day“. Und alle stimmen ein.

Über 100 Chöre mit 2000 Sängern stellten die Veranstalter in Aussicht. Und auch wenn der Beginn nicht wie geplant verlief, steht die Veranstaltung doch für einen gelungenen Auftakt zum Stimmen-festival. Durch außergewöhnliche Stimmen-Erlebnisse bestens eingestimmt, scheint die Stadt bereit für einen klangvollen Sommer mit rhythmischer Vielfalt.

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