^ Lörracher Flüchtlingsunterkunft: „Es kommen keine Monster dahin“ - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörracher Flüchtlingsunterkunft „Es kommen keine Monster dahin“

Marco Fraune
Bürgerinnen und OB berichteten von positiven Erfahrungen aus Haagen, ein Arzt verwies auf Probleme. Foto: Kristoff Meller

Oberbürgermeister Jörg Lutz versucht im Gemeinderat, besorgten Bürgern ihre Ängste zu nehmen. Es geht um die geplante Gemeinschaftsunterkunft in Stetten.

Mit teils scharfer Kritik von Bürgern sah sich die Stadtspitze am Donnerstagabend konfrontiert. Nachdem Anwohner-Wortäußerungen im Hauptausschuss eine Woche zuvor nicht zugelassen waren, nutzten einige Bürger im Gemeinderat die Möglichkeit, Fragen zu stellen – und damit verbunden auch Position zu beziehen. Darunter befanden sich auch Bürger aus anderen Ortsteilen, die sich für ein „buntes, vielfältiges Lörrach“ aussprachen und über positive Erfahrungen berichteten.

Fehlt es an Empathie?

Den größten Applaus aus den Reihen der Besucher erhielt aber ein Arzt, der als Vater von fünf Kindern über Probleme aus Haagen berichtete, in der Schule gebe es auch Gewaltprobleme. Grundschulleiterin Ute Schilling kann diese Schilderungen nicht bestätigen. Vielmehr berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung von einem guten Miteinander – außerdem gebe es sehr wenige Flüchtlingskinder in der Schlossbergschule in Haagen.

Beruflich arbeite der Arzt mit Geflüchteten als Patienten, die traumatisiert seien. „Dann kann es Probleme geben“, daher bewertete er die Kommunikation von Stadt und Landkreis als „Beschwichtigungs-PR“, es fehle an Empathie mit den Bürgern. Angesichts von nicht-öffentlichen Verhandlungen bei der Gründung von Flüchtlingsunterkünften stellte er sogar das demokratische Vorgehen infrage. Eine Demokratie-Müdigkeit mache sich breit, es komme zur Aufheizung der Diskussion.

„Ganz sicher ist uns nicht die Empathie verloren gegangen“, unterstrich OB Jörg Lutz. Die Unterbringung sei eine gesellschaftliche Aufgabe, die Unterbringung müsse über die Stadt verteilt erfolgen – im nördlichen Bereich gebe es schon Unterkünfte, nun soll auch im Süden an der Grenze zur Schweiz eine Unterkunft errichtet werden. „Es kann nicht die Stimme der Lautesten siegen.“

„Menschenverachtend“

Zuvor hatte Lutz von Rückmeldungen aus der Bürgerschaft berichtet; zum großen Teil seien diese sachlich, vereinzelt aber menschenverachtend gewesen. Dabei habe die Stadt in den zurückliegenden zehn Jahren positive Erfahrungen gemacht. „Es gibt keine signifikante Umfeldkriminalität“, verwies er auf die bisher schon errichteten Flüchtlingsunterkünfte. „Es kommen keine Monster dahin.“ Vielmehr seien es ganz normale Menschen.

Positive Erfahrungen

Zwei Bürgerinnen aus Haagen unterstrichen dies anhand ihrer Erfahrungen. Ihre eigenen Kinder würden mit Flüchtlingskindern spielen, die gut in Lörrach angekommen seien. Auch in Haagen habe es damals Vorbehalte gegeben. „Nichts von diesen Vorbehalten hat sich bestätigt.“ Hausmeister, Security, Sozialbetreuung und auch ein Anwohnerbeirat würden genau dazu beitragen, ergänzte der OB. „Es ist absolut problemlos verlaufen.“

Ein Anwohner der Konrad-Adenauer-Straße sorgte sich hingegen angesichts der Anzahl von gleich 150 Flüchtlingen, die am Bolzplatz untergebracht werden sollen. „Wenn so viele Menschen auf einem Haufen leben, gibt es Probleme.“ Es sei wichtig, dass die Stadt hier genau alles abklärte. In Brombach seien es sogar 300 Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft, führte Lutz an.

Keine Grenzschließungen

Sieben Quadratmeter Wohnraum pro Person gebe es, deswegen erfolge auch eine enge Begleitung.

Die Gefahr, dass es zu Grenzschließungen kommt, da in unmittelbarer Nähe von Riehen eine Flüchtlingsunterkunft errichtet wird, zeichnete Birger Bär mit Verweis auf eidgenössische Vorbehalte und Kritik als Szenario auf. Doch dafür sieht OB Lutz keinen Anhaltspunkt. „Von Grenzschließungen sind wir Lichtjahre entfernt.“ In Weil am Rhein sei auch nicht die Grenze geschlossen worden, als auf Schweizer Seite ein Ausschaffungsgefängnis errichtet wurde, zeigte Lutz die Absurdität der Anfrage auf.

Die Unterkunft soll maximal fünf Jahre genutzt werden, versicherte das Stadtoberhaupt. „Und es wird nicht verlängert.“ Das Grundstück werde nur von der Stadt an den Landkreis verpachtet.

Dennoch sorgte sich ein Anwohner um die finanziellen Folgen für Wohnungseigentümer in Stetten. Eine für eine Million Euro zuvor erworbene Wohnung werde dann nur noch 100 000 Euro wert sein. Der Gemeinderat könne das Projekt zwar ablehnen, so Lutz auf eine weitere Nachfrage eines Bürgers, doch es gebe eine gesetzliche Verpflichtung zur Unterbringung der Geflüchteten. Und an anderen Standorten in der Stadt Lörrach gebe es andere Hauseigentümer, betonte das Stadtoberhaupt mit Blick in den nördlichen Bereich.

Fragen und Antworten

Auf knapp zwei Dutzend Fragen im Zusammenhang mit der geplanten Gemeinschaftsunterkunft liefert die Stadt auf ihrer Internetseite Antworten, auf der Landkreis-Seite gibt es weitere Infos. Das weitere Vorgehen bleibt aber wie im Hauptausschuss beschrieben: Die Rückmeldungen der Bürgerschaft sollen nun in die weitere Analyse der Standortbewertung einfließen. Wegen wirtschaftlicher Aspekte erfolge dies nicht-öffentlich. Doch nach der Prüfung gebe es eine Bürgerinfo am 17. Juni. Noch seien zu viele Fragen offen, um schon jetzt einzuladen, schilderte Lutz.

Fragen und Antworten

Die Stadt
hat gemeinsam mit dem Landkreis einen umfassenden Fragen- und Antworten-Katalog erarbeitet und auf ihren Webseiten zur Verfügung gestellt. Auf der Webseite des Landkreises ist zusätzlich ein Online-Formular für weitere Fragen eingerichtet. Der Katalog wird um weitere Fragestellungen aus der Bürgerschaft ergänzt.

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