Müllheim (do). "Wir haben gerade untersucht, wie der Saal mit Publikum klingt", erklärte Dirigent Dan-Olof Stenlund das erste Stück, das der Landesjugendchor am Samstag in der Müllheimer Martinskirche darbot. Das temperamentvolle Intro in italienischer Sprache verhieß einiges an Hörgenuss. Und die rund 300 Zuhörer machten in der Tat einen Unterschied zum leeren Raum. Stenlund hatte mit den 65 jungen Sängerinnen und Sängern aus ganz Baden-Württemberg das Programm, das im Rahmen von drei Konzerten aufgeführt wird, eine Woche lang in Trossingen erarbeitet. Ausgesucht hatte der prominente schwedische Hochschulprofessor und Chordirigent "Weltliche Chormusik", die vom zarten Liebeslied über lustige Lautmalerei und Spaßlieder bis zum rasanten Husarenritt und innigen Spiritual alle Register menschlicher Gefühle in Tönen ausdrückt. Kernstück waren die 18 Liebeslieder-Walzer op.52 von Brahms, am Klavier vierhändig begleitet von Anna Immerz und Clarissa Merz. Das Charisma Stenlunds, das den Chor zu Höchstleistungen antrieb, zeigte sich auch in seiner schelmischen Moderation, nicht belehrend, eher erzählerisch Geist und Stimmung des jeweiligen Stücks charakterisierend. Lupenreine Intonation, ein ausgewogener Gesamtklang, ein riesiges Potenzial an dynamischer Gestaltung vom hauchzarten Pianissimo bis zum gewaltigen, sinfonischen Tutti, eine bis zur Perfektion verfeinerte Artikulationskultur " solche Parameter beschreiben nur ansatzweise etwas von dem Zauber, den dieser junge Chor vom ersten Ton an entfaltete. Denn dazu kam der kompromisslose Gestaltungswille jedes einzelnen Mitglieds, der aus den Liedern in dieser Interpretation spannende, mitreißende, komische und anrührende Geschichten machte. Im Bienenlied von Mátyás Seiber hörte man bei "Yes it doessss, ssss" einen ganzen Bienenschwarm surren. Beim "Rösselsprung" in dem von Erik Bergmann vertonten Morgenstern-Gedicht "Tapetenblume" kam die ganze Launenhaftigkeit der verrückten Liebe zum Ausdruck. So macht Singen Spaß, das spürte man deutlich. Die unbedingte Konzentration, mit der die jungen Sänger bei der Sache waren, zeigte auch die Tatsache, dass Stenlund vor dem Anfang lediglich einen Akkord in den Flügel hinein tippte und der Chor dann ohne Ansummen auf die Hundertstel Sekunde genau beim ersten Ton präsent war. Eine großartige interpretatorische Leistung war der Zyklus der Liebeslieder-Walzer von Brahms mit seiner komplexen spätromantischen Harmonik und den schnell wechselnden Stimmungslagen: Leidenschaftlich-zornig die Anklage "Nein, es ist nicht auszukommen mit den Leuten", trotzig-verwegen die Ankündigung, die zehn eisernen Riegel zur Geliebten zu sprengen, "als wären sie nur von Glas", betörend-verzaubernd der Gesang der Nachtigall, "wenn die Sterne funkeln". Ein farbenprächtiges musikalisches Bilderbuch wurde hier aufgeblättert, von dem man nicht genug bekommen konnte. Für den rauschenden Schlussbeifall bedankte sich der Chor mit dem zu Herzen gehenden Spiritual "Deep River" als Zugabe.