Müllheim Bezahlbarer Wohnraum statt Rendite

Weiler Zeitung

Runder Tisch für eine familienfreundliche Kommune beschäftigt sich mit dem Thema Wohnungsnot

Von Dorothee Philipp

Müllheim. Können neue Baukonzepte im geplanten Baugebiet „Am Langen Rain“ die Wohnungsnot in Müllheim lindern? Mit einem neuen, unkonventionellen Vorschlag überraschte Bürgermeisterin Astrid Siemes-Knoblich den „Runden Tisch für eine familienfreundliche Kommune“, der in seinem jüngsten Treffen diese Frage eruieren wollte.

Siemes-Knoblich berichtete von einer Idee, die im Rahmen einer Sitzung des Verwaltungsrats der Sparkasse Markgräflerland geboren wurde, dem „ethischen Investment“. Es gebe einige Investoren, die auf eine Maximalrendite verzichten, wenn dadurch bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, sagte Siemes-Knoblich. Es gebe auch Überlegungen, durch andere Wohnungszuschnitte Wohnungen zwar mit bis zu vier oder fünf Zimmern auszustatten, diese jedoch von der Quadratmeterzahl zu reduzieren. Das käme Familien mit Kindern zu Gute, bliebe bezahlbar, und man könnte mehr Bewohner in einem Haus unterbringen. „Früher nutzten wir auch weniger Wohnraum für mehr Menschen“, sagte sie. Die ansässigen Banken hätten signalisiert, dass es Kunden gibt, die ein solches Modell mittragen könnten. Wie das konkret aussieht, müsste ermittelt werden, im Gespräch seien ein Fonds, eine Stiftung oder Ähnliches. Dann käme eine Architektenrunde zum Zuge, die die neuen Wohnungsformen ausarbeitet und schließlich müssten über ein entsprechendes Verkaufsprospekt potenzielle Investoren gewonnen werden.

Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau

Den Siegerentwurf im Architektenwettbewerb für das neue Baugebiet lobte Siemes-Knoblich als besonders flexibel für solche Projekte. Allerdings könne das nur ein „Pflästerchen“ sein, das die Kommune selbst realisieren kann. Langfristig gehe es darum, die politischen Rahmenbedingungen zu ändern, die für die akute Wohnungsnot verantwortlich seien. Dazu gehört für sie der Wiedereinstieg der Politik in die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus. Die von den Baugesetzen inzwischen festgelegten Standards, die in den vergangenen fünf Jahren die Baupreise bis zu 30 Prozent in die Höhe getrieben hätten, seien nicht mehr zurückzuschrauben. Schließlich gehe es hier um Brandschutz, Klimaschutz und anderes.

Die Entwicklung des neuen Baugebiets Am langen Rain war für den Runden Tisch, an dem Vertreter aus Schulen, Kindergärten, Jugend- und Wohlfahrtsverbänden sitzen, der Anlass für das Treffen gewesen. Viele von ihnen hatten auch an dem Workshop teilgenommen, der dem Architektenwettbewerb vorgeschaltet war. Rund 170 der geplanten 220 Wohneinheiten sollen nach Siemes-Knoblich in klassischen Mehrfamilienhäusern realisiert werden. Der Idee, dass die Stadt selbst eruiert, wo Wohnraum leer steht oder kaum genutzt wird, musste Siemes-Knoblich eine Absage erteilen: Das gehe gegen den Datenschutz.

Rahmenbedingungen seien „einfach schräg“

Bedeckt hielt sie sich auf die Frage, warum die Stadt Müllheim so wenig mit der Baugenossenschaft Familienheim Markgräflerland zusammenarbeite. Man habe zwar miteinander geredet, aber die Rahmenbedingungen seien „einfach schräg“, sagte die Bürgermeisterin, wollte das Thema aber nicht weiter vertiefen.

Diskutiert wurde auch die Frage, ob die Kommune oder ein Verband als Generalmieter auftreten kann, um Personen mit Handicap oder sonstigen Nachteilen das Mieten einer Wohnung einfacher zumachen. Denn viele Vermieter schrecken zurück, wenn sie beispielsweise von einem Schufa-Eintrag hören oder von Alg II als einzigem Einkommen. Doch das sprengt die personellen Möglichkeiten der Verwaltung.

Hermann Assies vom AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation kritisierte, dass die Kommunen bei der Frage von bezahlbarem Wohnraum nicht enger zusammenarbeiten und jede ihre eigenen Lösungen sucht. „In der ganzen Region brodelt es“, sagte der Leiter der Müllheimer Wohnungslosenhilfe. Dadurch, dass die Menschen auf dem freien Markt kaum Wohnungen finden, blieben sie auch oft viel länger in den Einrichtungen, obwohl sie ein eigenständiges Leben führen könnten.

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