Im Mittelpunkt eines Themenabends im Markgräfler Museum stand die Geschichte der jüdischen Bevölkerung von Müllheim. Gemeinsam mit seiner Frau Inge dokumentierte Rolf Schuhbauer, der Verfasser der Publikation „Nehmt dies kleine Stückchen Heimat“, das Schicksal der Müllheimer Juden in der Folge des zunehmenden Einflusses und der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Von Bianca Flier Müllheim. Antisemitische Umtriebe gab es in der Stadt schon im 18. und 19. Jahrhundert immer wieder. In den 1920er-Jahren steigerten sich die Schikanen mehr und mehr. Es gab Sachzerstörungen – zerbrochene Türen, eingeworfene Fenster – und tätliche Übergriffe. Eine unmissverständliche und bedrohliche Bekundung von Antisemitismus geschah 1933, im Jahr der Machtübernahme der Nazis. Auf dem Viehmarktplatz wurde eine als Jude zurechtgemachte Strohpuppe verprügelt und zerfetzt. Zerstörungen, Übergriffe Doch bei solch allgemeinen Demonstrationen blieb es nicht. Stellvertretend für die vielen persönlichen Bösartigkeiten sei hier das Schicksal des Viehhändlers Gustav Mayer genannt. Man verbreitete über ihn das völlig unbewiesene Gerücht, er sei gegenüber christlichen Frauen sexuell übergriffig geworden. Eine couragierte Frau habe sich jedoch gewehrt, ihn überwältigt und in einen Schweinestall gesperrt. Obwohl es keine Beweise und auch keine Anzeige gab, wurde Mayer verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und in ein KZ gebracht. Von seiner Tochter Selma existiert ein anrührendes Schulfoto, das sie im Kreis ihrer Mitschüler mit niedergeschlagenem Blick zeigt. Man kann sich vorstellen, was das vierzehnjährige Mädchen sich alles an Mobbing gefallen lassen musste. Einer präzisen Choreographie folgte die „Reichskristallnacht“ vom 9. November 1938 mit ihren Pogromen auch in Müllheim. Grauen der Pogromnacht Nachdem man in der Nacht die Männer verhaftet hatte, drang der Nazipöbel am folgenden Vormittag in die jüdischen Häuser ein, zertrümmerte die Einrichtung, misshandelte die Frauen und schüchterte die Kinder ein. Bald war es jüdischen Kindern nicht mehr gestattet, die öffentlichen Schulen zu besuchen. Die Juden wurden zum Verkauf ihres Besitzes gezwungen – natürlich weit unter Wert. Sie wurden aus ihren Häusern vertrieben und im jüdischen Gemeindehaus in der Adolf-Hitler-Straße (heutige Hauptstraße) untergebracht, wo bald kaum noch Platz war. Als 1940 die allgemeinen Deportationen nach Gurs erfolgten, war Müllheim bereits „judenrein“. Kein Wunder, denn die letzten jüdischen Mitbürger hatten die Stadt bereits verlassen beziehungsweise verlassen müssen. Der Satz, dass von den Müllheimer Juden keiner deportiert wurde, ist somit reine Augenwischerei.