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Müllheim „Trotz allem war es eine tolle Zeit“

Weiler Zeitung
Sophia Dellers mit Annemarie Meyer und Elisabeth Blankenhorn Foto: zVg Foto: Weiler Zeitung

Ehemalige Schülerinnen des Abi-Jahrgangs 1949 erinnern sich an Schulzeit

Müllheim. „Trotz allem was passiert ist, hatten wir eine tolle Zeit.“ Dieser Satz prägt sich sofort ein, wenn man bedenkt aus welcher Zeit dieses Zitat von Annemarie Meyer und Elisabeth Blankenhorn, genannt Rösle Blankenhorn, stammt. 1949 haben die beiden am Markgräfler Gymnasium ihr Abitur absolviert und denken gerne an die Zeit zurück. Im Vorfeld des Schulfestes zum 175-jährigen Bestehen der Schule am vergangenen Samstag sprach Sophia Dellers (Klasse 11) mit den beiden über ihre Schulzeit.

Wie lief Ihre Schulzeit während des Krieges ab?

Meyer: 1944 mussten unsere Jungen manchmal während der Schulzeit Schützengräben ausheben; der Unterricht wurde dauernd von Luftangriffen unterbrochen. Mitte September kam die Nachricht, dass wir ab sofort keine Schule mehr hätten. Das war dann bis November 1945 so.

Blankenhorn: Ich habe diese Monate in Konstanz erlebt und bin erst 1946 in das Markgräflerland gekommen. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Paris. In der Schulzeit habe ich sieben verschiedene Schulen besucht, unter anderem in Konstanz, Karlowitz und Wien. Schlussendlich sind wir in die Heimat des Vaters, nach Müllheim, zurückgekehrt. Hier wurde ich für kurze Zeit im alten Krankenhaus unterrichtet.

Meyer: Im Winter 1945/46 war es bitter kalt. Da musste jeder Schüler von zu Hause ein Holzscheit mitbringen, um den einzigen Ofen im ganzen Haus zu feuern.

Hat sich der Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg stark verändert?

Meyer: Ja, aber diese Veränderungen haben schon während des Krieges begonnen. Wir hatten keine Hefte, nichts zum Aufschreiben und auch keine Bücher. Im alten Lazarett oben hatten wir nicht mal eine Glühbirne. Mein Vater hat uns einmal eine besorgt. Zum Unterricht haben wir sie mitgenommen und nach dem Unterricht wieder herausgeschraubt, damit sie nicht verloren ging. Über Freunde und Verwandte sind wir beide dann an alte Hefte gekommen. Ursprünglich wurden die für die Buchhaltung genutzt.

Blankenhorn: Genau. Ich habe immer einen Strich unter die alten Aufschriebe gezogen und meine eigenen darunter gesetzt.

Wie wurden Sie auf Ihr Abitur vorbereitet und wie lief es dann ab?

Blankenhorn: Im Unterricht hat sich nichts geändert. Wir wurden einfach weiter in unseren Fächern unterrichtet. Französisch, Englisch, Deutsch, Mathe und Chemie waren unsere Hauptfächer; hinzu kamen noch Kunst, Physik und Geschichte. Wir waren ja nur elf Schüler in unserem Jahrgang. Das war natürlich vorteilhaft für unseren Lernerfolg. Wir hatten damals ein 20-Punkte-System, alle vier Punkte waren eine ganze Note.

Meyer: Die Prüfungen fanden oben im Zeichensaal statt. Da saßen wir elf Schüler im ganzen Raum verteilt, Kontakt während der Prüfung war überhaupt nicht möglich.

Blankenhorn: In Mathematik mussten wir den Inhalt eines Fasses mit dem Integral berechnen. Mündlich wurden wir geprüft in Physik und Geschichte, maximal 15 Minuten. In Geschichte hatte ich eine schwere Aufgabe. Dabei sollte ich die Staatsformen von England, Frankreich, Amerika und Deutschland zur Zeit der Französischen Revolution vergleichen und das in 15 Minuten. Zum Glück hat mir mein Lehrer durch gutes Zusprechen sehr geholfen. „Sie sind auf dem richtigen Weg, machen sie weiter so“, spornte er mich an. So habe ich 15 Punkte bekommen, das bedeutete damals eine 2,25 als Note. Später haben wir erfahren, dass unser Abitur in der Universität in Freiburg um eine ganze Note aufgewertet wurde, weil unser Abitur im Vergleich sehr schwer gewesen war.

Wie haben Sie die Schulzeit erlebt?

Meyer: Als tolle Zeit. Trotz allem, was passiert ist, sind wir, also die elf Schüler unseres Jahrgangs, zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, vielleicht weil wir einfach nichts hatten. Manchmal sind wir zur Schule gefahren, und der Unterricht ist dann doch ausgefallen.

Blankenhorn: Im Winter sind die Müllheimer, also die Schüler aus Müllheim und Badenweiler, oft in der Nähe von Schweighof zusammen Ski gelaufen. Mit dem Bähnle sind wir hingefahren, bepackt mit unseren Skiern und zwei Scheiben Brot als Proviant – mehr hatte man einfach nicht. Nach dem Skilaufen sind wir am Abend dann wieder erschöpft heim.

An was denken Sie zuerst, wenn Sie an das Gymnasium denken?

Blankenhorn: Ganz klar an die besondere Freundschaft unseres Jahrgangs. Wir waren nicht nur Schulkameraden, sondern wie Geschwister, und das bis heute. Die verschiedenen Charaktere haben sich bis heute erhalten. Auf unseren regelmäßigen Klassentreffen hat man das deutlich gemerkt.

Meyer: Ich erinnere mich auch an unseren Abiturausflug. Damals sind wir mit dem Zug nach Waldkirch gefahren und von dort auf den Kandel gewandert. Dort übernachteten wir in einem Heuschober. Am nächsten Morgen haben wir uns am Brunnen gewaschen. Weiter ging es zu Fuß zum Turner, der war unser Ziel. Dort haben wir wieder übernachtet. Für diesen Ausflug hat jeder unterschiedliche Dinge mitgenommen, je nach dem, was man zu Hause hatte. Einmal haben wir im Freien gekocht, mit Blechgeschirr, und im Bach unser Geschirr abgewaschen. Ein anderes Mal haben wir bei einem Bauern um etwas Milch gefragt, so dass wir zum Nachtisch Grießbrei hatten. Darauf waren wir alle ganz stolz.

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