Müllheim Zwischen „entspannt“

Weiler Zeitung
Nach zwei Tagen Smartphone-Abstinenz wollten die Schüler schnellstmöglich ihre verpassten Nachrichten checken. Foto: Claudia Bötsch Foto: Weiler Zeitung

Wie Schüler die handyfreie Zeit erlebten

Müllheim (boe). Morgens klingelt unser Wecker, wir wischen ihn aus. Während das Frühstücksei gelöffelt wird, checken wir die neuesten Nachrichten. Im Zug oder Bus zu Schule oder Arbeit hören wir Musik, lesen Posts auf Facebook und schreiben Freunden per Messenger-Dienst „Whatsapp“. Abends gehen wir eine Runde laufen und werden gelobt, und rufen danach die beste Freundin an. Mit unserem Smartphone. Das internetfähige Handy ist in kürzester Zeit für Millionen Menschen zum ständigen Begleiter mutiert. Was passiert, wenn man einmal für bestimmte Zeit ganz bewusst auf die kleinen Alleskönner verzichtet? Das haben 30 Schüler des Markgräfler Gymnasiums ausprobiert und waren 48 Stunden offline (siehe obenstehenden Artikel).

Wie es den Jugendlichen ohne ihr Smartphone erging, haben sie in einem Mini-Tagebuch festgehalten. Ihre Erfahrungen tauschten sie zudem im Klassenverband aus – überraschende, teils auch amüsante Erkenntnisse inklusive.

Die Palette reichte von: „Ich habe mein Handy immer und überall vermisst“, vor allem als ständig verfügbaren Zeitvertreib, beispielsweise bei der Busfahrt, bis hin zur „neu entdeckten Ruhe und Entspannung und dem guten Gefühl, nicht ständig erreichbar zu sein“.

Eine Schülerin berichtete, dass es „auch mal ganz schön angenehm“ sein kann, ohne ständigen Begleiter unterwegs zu sein und man sich „irgendwie freier fühlt“.

„Entspannend war es vor allem am Abend, weil man nicht wie sonst den Drang hatte, zu schauen, wer und was jemand geschrieben haben könnte“, berichtete eine der Schülerinnen. In die gleiche Kerbe schlug eine andere Schülerin, die meinte: Das Handy könne bei den Hausaufgaben ganz schön ablenken. „Man schaut ständig drauf, checkt Nachrichten und schwupps ist eine halbe Stunde vorbei.“

Viele haben für sich festgestellt, dass vor allem bei Langeweile zum Gerät gegriffen wird. Die Gefühle während des Experiments schwankten bei den einzelnen Schülern zwischen „erholt“ bis hin zu „verärgert“ und sogar „überfordert“; mancher fühlte sich „von der Welt abgeschnitten“. Eine Schülerin meinte: „Man hat das Gefühl, ohne Smartphone etwas zu verpassen.“ Ein anderer Jugendlicher sagte, das Handy sei für ihn oft „ein Lückenfüller, wenn man nix zu tun hat – denn im Internet gibt es immer was zu sehen.“

Einer der Schüler sagte – wohl nicht ganz ernst gemeint: „Was habe ich bloß in meiner Jugend ohne Handy gemacht?“

Für sich neu entdeckt hat so mancher „Spontanbesuche durch Klingeln an der Haustür“. Auch wurde die Erfahrung gemacht, „dass man ohne Smartphone wieder mehr Zeit für andere Dinge hat“.

Drei Mädchen gaben dabei an, das Internet gar nicht vermisst zu haben. Anderen sei es deutlich schwerer gefallen, nicht „kurz mal was nachschauen zu können“. Zum Beispiel bei den Hausaufgaben: „Da war ich erst genervt. Dann fand ich es aber eigentlich ganz cool, statt zum Handy zum Brockhaus zu greifen“, meinte ein Schüler.

Festgestellt wurde, dass vielfach „ganz automatisch“ dutzende Male am Tag zum Handy gegriffen wird; sei es auch nur, um die Uhrzeit zu checken. Zumindest hier gab es leichte Abhilfe: Mancher hat sich einfach wieder die alte Armbanduhr angezogen. Und statt Musik übers Smartphone zu hören, wurde das alte Radio wieder hervorgekramt. In der „neugewonnenen Freizeit“ wurde auch wieder verstärkt zu Buch und Zeitschrift gegriffen, denn Computerspielen war in den zwei Tagen ebenfalls tabu.

Dem einen oder anderen wurde indes – teils schmerzlich – bewusst, wann ein Handy wirklich sinnvoll ist. Zum Beispiel, wenn man den Bus verpasst. Besonders schlimm hatte es einen der Schüler erwischt: Er hatte sich den Arm gebrochen: „Da hätte ich es gut gebrauchen können, um schnell Hilfe zu holen“, meinte der Junge, dessen Arm im Verband steckte. Ein anderer berichtete, dass ihm ein Fahrrad praktisch vor der Nase weggeklaut wurde – und er nicht sofort die Polizei rufen konnte.

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