Von Jutta Schütz Schliengen. Die Darstellungen von der Folterung des Heiligen Sankt Leodegar waren schlichtweg gruselig, wie man den vielen Zuhörern im „Café B 3“ anmerkte. Der Hobby-Lokalhistoriker, Horst Iburg, hatte zum zweiten seiner Wintervorträge eingeladen, bei dem er sich mit dem fränkischen Kirchenfürsten und Schliengener Schutzpatron beschäftigte. Leodegar, Bischof von Autun, (geboren 616, gestorben 2. Oktober 679) wird auf Gemälden oder als Statue fast immer mit einem Bohrer oder Stachel und/oder einem Schwert dargestellt. Der Bohrer war dabei das Folterinstrument: „Mit einem Bohrer nämlich stach oder bohrte man ihm die Augen aus“, berichtete Iburg gleich zu Beginn. Genau deshalb ist Leodegar dann auch der Heilige, der unter anderem bei Augenleiden angerufen wird. Dargestellt wird der Bischof zudem häufig mit Palme, Kreuz und Krone – dem Märtyrerlohn. Bei der Folter die Augen ausgestochen Leodegar war das, was bis ins Mittelalter hinein noch viele Kirchenfürsten waren: durchaus kriegerisch gesinnt. „Was man landläufig mit einem Märtyrer verbindet, war er deshalb eigentlich nicht“, überlegte Iburg. Vielmehr war er ein sehr gebildeter Staatsmann mit ausgeprägten Machtbestrebungen – aber auch mit Reformeifer. Der Merowingerkönig Chlothar III. (Regierungszeit 657 bis 673) und dessen Mutter und Regentin Balthildis hielten große Stücke auf ihn und zogen ihn an ihren Hof. 659 wurde Leodegar Bischof von Autun, wo er eine rege Bautätigkeit begann und zudem die von Streitereien zerrütte Diözese wieder auf Kurs brachte. Der Bischof wollte aber politisch im größeren Rahmen mitmischen und seinen Einfluss in den nordwestlichen Teil (Neustrien) Frankreichs und nach Burgund ausdehnen. Damit kam er dem Hausmeier Ebroin in die Quere, der selbst nach mehr Macht im Frankrenreich strebte. Wegen seiner Bemühungen zur Reformierung des Klerus wurde er 675 von König Childerich II. nach Luxeuil verbannt, kehrte nach der Ermordung des Königs aber 676 zurück und wurde wieder Bischof in Autun. Ebenfalls 676 wurde er von Ebroin und dessen Verbündeten beschuldigt, an der Ermordung des übrigens grausamen Childerich beteiligt gewesen zu sein. Ebroin belagerte Autun, nahm seinen Gegenspieler fest und ließ diesem zuerst mit einem Bohrer die Augen ausstechen, dann die Lippen abschneiden und die Zunge herausreißen. „Als Leodegar dennoch weiter verkündigte und seinen und des Ebroin Tod voraussagte, wurde er in die Normandie verbannt und drei Jahre später, (am 2. Oktober) 679, enthauptet“, kann man unter einem Eintrag der Erzdiözese Freiburg zum Schutzheiligen nachlesen. Kurz nach ihm wurde auch sein Gegner, Ebroin, umgebracht. Leodgars Gebeine liegen in Poitiers, Reliquien sind auch in Ebreuil. Der 2. Oktober ist der Leodegarstag. Heiliggesprochen wurde er, weil man berichtete, dass er „vor seiner Gefangenname seinen Besitz an die Einwohner von Autun verteilte und weil sich schon zu Lebzeiten und an seinem Grab Wunder ereigneten“, fasste Iburg zusammen. Warum nun hat Schliengen – und übrigens auch Bad Bellingen – einen Schutzpatron aus dem burgundischen Autun" „Der Bischof hatte verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie der heiligen Odilie, der Schutzpatronin des Elsass’, die übrigens 660 geboren wurde“, erzählte Iburg. Wie kam Schliengen zu einem Schutzpatron aus dem Burgund" Ein Zentrum der Leodegarverehrung wurde die ehemalige Abtei Murbach im Elsass, die 727 gegründet wurde. Der Kult verbreitete sich ins Elsass – dort gibt es 22 Kirchenpatronate – übersprang den Rhein, breitete sich auf Basel und Luzern aus. Sankt Leodegar ist auch der Schutzheilige von Luzern. Die Abtei Murbach hatte in Schliengen Besitztümer, der ehemalige Murbacher Hof am Hohlebach, gegenüber von Kirche und Pfarrhaus liegend, zeugt davon. Der Hof war Dinghof des Klosters , seit 1686 als „Fürstenhof“ im Besitz des Basler Hochstifts und wurde erst 1803 säkularisiert. Was also lag näher, als mit dem Klosterbesitz nicht gleich auch den Heiligen als Schutzpatron zu übernehmen. Leodegar ist denn auch am Aufgang zur Kirche im Torbogen abgebildet und unter anderem auch im Deckengemälde der Barockkirche verewigt.