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Schopfheim Als Eisverkäufer in den Schwarzwald

Markgräfler Tagblatt
Diones Zecchhinel, bekennender Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft im brasilianischen Outfit, Doktorandin Diane Portugueis (Sao Paulo / Osnabrück) und Stefano de Nadal (rechts). Foto: Roger Schwarz Foto: Markgräfler Tagblatt

„Meine zweite Heimat“: Dissertation von Diane Portugueis über brasilianische Arbeitsimmigranten

Schopfheim (aq). Wahrlich keine typischen Merkmale für eine Arbeitsimmigration nach Europa zeigt die Vita des seit 15 Jahren in der Eisdiele „Cortina“ tätigen Diones Zecchinel dos Santos.

Aufgewachsen in einer intakten Großfamilie – seine Vorfahren stammen aus Italien und Deutschland– erlernte der Italo-Brasilianer den Beruf des Drehers und Werkzeugmachers. Die politischen Entwicklungen im damals wirtschaftlich gebeutelten Brasilien lagen konträr zu seinen vorausschauenden Plänen. Da kam die Anfrage aus dem fernen Italien zur rechten Zeit.

Der Gelatieri Bruno de Nadal aus der dolomitischen Talgemeinde Zoppé di Cadore, der mit seiner Familie in Schopfheim eine Eisdiele unterhielt, suchte händeringend Arbeitskräfte und, wie die damalige Chefin Carolina de Nadal immer betonte, höfliche und korrekte junge Leute.

Der Arbeitsmarkt in Italien wie in Deutschland hatte nicht genügend Potenzial. Ein Partneraustausch von Kommunen der oberitalienischen Regionen mit dem südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina, wohin zu Beginn des 19. Jahrhunderts viele Italiener, aber auch Deutsche ausgewandert waren, sollte die Misere klären.

Bruno de Nadal und sein Bruder Mario knüpften Kontakte zu Kommunalpolitikern und Kirchenvertretern und fanden so die Möglichkeit, junge Leute für die Arbeit in Deutschland anzusprechen. Die Menschen im Süden Brasiliens gelten als besonders konziliant und hilfsbereit. Diones Zecchinel ging auf das Angebot ein, und „meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen“, analysiert der als „Jonny“ bekannte Gelatieri seine Anfänge im unbekannten Metier und in der Markgrafenstadt.

„Den Schwarzwald kannte ich nur vom Hörensagen, bekannt war mir allerdings München und hier besonders Bayern München“, reduziert er seine ehemaligen geografischen Kenntnisse mit einem sportlichen Anstrich. Die Gründe für die Arbeitsaufnahme in Deutschland waren hauptsächlich die „miserable Bezahlung für kompetente Arbeit“ in seiner Heimat.

Aber auch sein Interesse, das Land der Vorfahren kennenzulernen, bewogen ihn, von Frühjahr bis Oktober in dem zwischenzeitlich zur „zweiten Heimat“ gewordenen Schopfheim“ zu leben. Mit seiner positiven Lebenseinstellung stellt er eine Bereicherung für die Eisdiele „Cortina“ dar.

Ohne Zweifel hat hierzu die Familie de Nadal beigetragen, die ihm in schwierigen Situationen zur Seite gestanden habe, schätzt Diones Zecchinel die nun schon 15-jährige Zusammenarbeit. Mit den Ersparnissen, so sein Blick nach Brasilien, konnte er dort eine Maschinenfabrik mit fünf Mitarbeitern aufbauen, die von seiner Frau Silvana geführt wird.

Daneben unterstützt er die Familie bei Investitionen für einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb.

Diese ungewöhnliche Geschichte weckte auch die Neugier der Doktorandin Diane Portugueis, die in den äußersten Südwesten der Republik kam, um die Hintergründe der Arbeitsverlagerung von Diones Zecchinel kennenzulernen. Zugute kam ihr dabei Aufarbeitung der Geschichte der Familie de Nadal und der Eisdiele „Cortina“ im Jahrbuch der Stadt Schopfheim von 2009.

Die deutsch-brasilianische Familienpsychologin ist Doktorandin in Sao Paulo an der Pontificia Universidade Catolica und seit 2015 an der Uni Osnabrück mit einer wissenschaftlichen Arbeit über Identitätsbildung und Immigration von Brasilianern mit italienischer Abstammung beschäftigt, die in deutschen Eisdielen und Cafés Arbeit gefunden.

Zur Untersuchung ihrer Studien bräuchte sie „eigentlich zehn Interviewpartner, aber seit ich Diones Zecchinel dos Santos in Schopfheim kennengelernt habe“, so die Psychologin, „überlege ich ernsthaft, ob ich nur über ihn und seine Geschichte schreiben sollte“.

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