Schopfheim „Das große Bibbern kommt danach“

Markgräfler Tagblatt

Waldorflehrer Peter Elsen berichtet von seinem notfallpädogogischen Einsatz in Nepal

Von Werner Müller

Schopfheim. „Es ist eine Attacke auf das tiefste Grundvertrauen“: Was ein Erdbeben mit und in Menschen anrichten kann - Peter Elsen hat es am eigenen Leib erfahren. Der Schopfheimer Waldorflehrer verbrachte einen knapp zweiwöchigen notfallpädagogischen Einsatz in Nepal (wir berichteten) – und erlebte selbst gleich mehrere schwere Nachbeben hautnah mit.

Dabei nahm er einerseits zwar zur Kenntnis, dass er im Augenblick des Bebens und unmittelbar danach „funktioniert“, wie er es als routinerter Helfer von sich selbst erhofft hat. Da war zum anderen aber auch die Erkenntnis: „Das große Bibbern kommt danach“.

Vor allem ein nächtliches Nachbeben fuhr Peter Elsen und den anderen zwölf Helfern des Einsatzteams von den Freunden der Waldorfpädagogik mächtig in die Glieder.

„Das erschüttert viel mehr als ein Beben am Tag“, berichtet Peter Elsen nach seiner wohl behaltenen Rückkehr aus Nepal. Er habe von da an jedenfalls nicht mehr ohne Licht schlafen können. „Ich habe mich im Dunkeln einfach nicht mehr wohl gefühlt“.

Er und seine Mithelfer konnten denn auch sehr gut nachvollziehen, dass die Menschen in Nepal auch Wochen nach dem schweren Erdbeben immer noch in Zelten im Freien schlafen, obwohl längst nicht alle Häuser zerstört sind.

Sehr wertvoll für das Einsatzteam war in diesen Extremsituationen die Tatsache, dass unter den Helfern auch drei aus Südamerika waren, darunter einer aus Chile, für den „Erdbeben das tägliche Brot sind“, wie Peter Elsen berichtet. Von deren Abgeklärtheit und Routine habe das ganze Team profitiert.

Diese unmittelbare Selbstbetroffenheit versetzte die ausländischen Helfer nicht nur in die gleiche Situation wie die Einheimischen, sondern war zugleich auch eine Art Feuertaufe: „Wir konnten an uns selbst prüfen, ob unsere Methoden wirken“, so der Eurythmist.

Nach den ermutigenden Erfahrungen an insgesamt drei Einsatzorten in Nepal ist Peter Elsen davon jedenfalls überzeugt. Das dreizehnköpfige Team, darunter Ärzte, Erlebnis-, Trauer- und Heilpädagogen sowie Kunsttherapeuten, beschränkte sich bewusst auf die Hauptstadt Katmandu sowie die unmittelbare Umgebung. „Da konnten wir die meisten Menschen erreichen“, so Peter Elsen. Eine Fahrt in weiter entfernt gelegene, ländliche Gebiete hätte viel zu viel Zeit gekostet. „Menschen wie uns hätten die Opfer in den entlegenen Bergregionen gar nicht gebrauchen können“, glaubt Peter Elsen. Dort seien Ärzte oder Ingenieure viel wichtiger.

In Katmandu kümmerten sich die Notfallpädagogen im Shanti Lepra-Center sowie in einer Schule vor allem um traumatisierte Kinder, veranstalteten aber auch Workshops für die Lehrer. In der Nähe des Dorfes Bhag Tapu, eine knappe Autostunde von Katmandu entfernt, besuchte das Team ein von einheimischen Freiwilligen organisiertes Camp für Kinder und half mit, sie „von den Ruinen fern zu halten“.

Grundsätzlich hatten die notfallpädagogischen Einsätze zum Ziel, bei Kindern wie bei Erwachsenen „die Eigenkräfte von innen zu stärken“. Oder wie Peter Elsen es anschaulich ausdrückt: „Es geht darum, die Ängste wegzutanzen, wegzumalen und wegzusingen“.

Er glaubt denn auch, dass vor allem die Kinder von dieser „psychosozialen Krisenintervention“ profitieren konnten. So habe sich ein zehnjähriges Mädchen nach einem der Treffen spontan zu Wort gemeldet und berichtet, es könne dank der Hilfsangebote „wieder schlafen“ - für Peter Elsen und seine Kollegen eine berührende Botschaft.

Dies um so mehr, als er und die übrigen Einsatzkräfte den Kindern offenkundig ganz anders begegneten als die Einheimischen. Diese pflegten einen „ruppigen Umgang“ mit den Kindern, begegneten ihnen sehr autoritär und scheuten auch vor körperlicher Züchtigung nicht zurück. Peter Elsen empfand dies jedenfalls als sehr „unangenehm“. Vielleicht, so hofft er, habe der Einsatz auch diesbezüglich eine heilsame Wirkung.

Voller Hochachtung spricht der Waldorfpädagoge von Sher Pariyar, einem einheimischen Reiseleiter, der auf eigene Faust Hilfsaktionen organisiert, Spenden sammelt und damit Zelte und Nahrungsmittel kauft, die er eigenhändig in entlegene Dörfer bringt. Ihn möchte Peter Elsen denn auch durch einen Spendenaufruf unterstützen (siehe Infokasten).

In diesem Zusammenhang machten zwei Waldorfschülerinnen dieser Tage den Pädagogen sprachlos, indem sie ihm einen Briefumschlag mit 500 Euro überreichten. Die Drittklässlerinnen waren aus ganz eigenem Antrieb in ihren Heimatdörfern Wies und Hägelberg von Tür zu Tür getingelt, um für die Nepal-Einsätze zu sammeln.

Das Notfallpädagogen-Team plant denn auch schon in drei bis vier Monaten den nächsten Einsatz in Nepal. Ob Peter Elsen dann auch wieder mit von der strapaziösen Partie sein wird, lässt er offen. Eigentlich wolle er sich auf Einsätze in Gaza und Manila beschränken, sagt der Waldorflehrer, und ein bisschen müsse er mit seinen Kräften auch haushalten.

Über seinen notfallpädagogischen Nepal-Einsatz berichtet Peter Elsen in einem Vortrag am Dienstag, 23. Juni, um 20 Uhr im Festsaal der Waldorfschule. Er bittet um Spenden für drei Hilfsorganisationen, die sich in Nepal um die Erdebenopfer kümmern:

u Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiner

www.freunde-waldorf.de

Spendenkonto

IBAN: DE06 4306 0967 0800 8007 00

BIC: GENOODEM1GLS

Stichwort: Notfallpädagogik

u Shanti Leprahilfe

www.shanti-leprahilfe.de

IBAN: DE42 4407 0024 0177 7713 00

BIC: DEUTDEDB440

u Nepal-Hilfe direkt

www.nepalreisentrek.de/soziale-projekte

IBAN: DE62 6705 0505 0033 5513 80

BIC: MANSDE66XXX

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