Schopfheim Das Opfer vom Täter trennen

Markgräfler Tagblatt

Rollenspiel am Bahnhof: Bundespolizei klärt über richtiges Verhalten bei Konfliktfällen auf

Schopfheim (hjh). Schreck an der Bahnsteigkante: Die Fahrgäste der S6 von Basel nach Zell wurden am Mittwoch um 17.45 Uhr Zeugen eines lautstarken Beziehungsstreites.

Ein Mann belästigte eine Frau und begann handgreiflich zu werden, als die sich seinem Wunsch widersetzte, gemeinsamer Zeiten wegen mit ihm zu kommen.

Die Fahrgäste, die in Schopfheim aus dem Zug ausstiegen, bekamen den Streit entweder nicht mit oder zogen es vor, so zu tun, als ob sie nichts mitbekämen. Ein paar schielten im Vorübergehen zu den Streithähnen.

Andere drehten den Kopf, waren unschlüssig oder warteten ab, wie sich das Ganze entwickeln würde. Eine junge Frau rannte von innen zur noch offenen Tür des Zuges und forderte die Belästigte auf, einzusteigen, eine andere bot aus der Distanz an: „Kann ich Ihnen helfen?“

Dann tönte der fast schon erlösende Ruf über den Bahnsteig: „Bundespolizei!“ Und der Ausweis, den ein Beamter über die Köpfe der noch immer unschlüssig herumstehenden Gruppe hielt, sorgte dafür, dass stark klopfende Herzen wieder ruhiger schlugen und der Adrenalinpegel auf Normalwerte sank.

Denn das Spektakel dicht an Gleis zwei war, wie sich herausstellte, bloß Theater. Die Akteure stellten sich vor als Polizeihauptkommissarin Anke Klahr und Polizeihauptmeister Thomas Schlageter von der Bundespolizei.

Und Hauptdarsteller in diesem Szenario, das leider fast schon alltäglich ist auf Bahnhöfen oder U-und S-Bahn-Stationen, waren – ohne es zu wissen – die Fahrgäste der Regio-S-Bahn: junge Menschen, Senioren, Jugendliche. Männer und Frauen, die tagtäglich durchs Wiesental pendeln und meist nicht wissen, wie sie sich als Konfliktlöser zu verhalten haben.

Sie bekamen nun Ratschläge und Tipps aus erster Hand: Anke Klahr und Thomas Schlageter sind als „Gewaltpräventionstrainer“ vor allem in Schulen auf Achse, predigen Zivilcourage und zeigen Methoden auf, wie man helfen kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Wichtig sei, sich hauptsächlich um die Opfer, in diesem Fall die massiv bedrängte Frau, zu kümmern. Vorbildlich, sagten sie, sei es gewesen, das Opfer aufzufordern, in den Zug zu steigen und dazu die Türe offen zu halten, um der Frau einen gesicherten Weg zu ebnen.

Ganz falsch hingegen war, was ein junger Mann nach eigenen Worten kurz überlegt hatte: „Ich wollte eben auf den Übeltäter losgehen.“ Damit, so der vermeintliche Aggressor Thomas Schlageter, hätte er darum gebettelt, selbst Opfer zu werden und Gefahr zu laufen, selbst etwas abzubekommen. Der Streit wäre dann endgültig eskaliert.

Einer größeren Gruppe Menschen müsse es einfach möglich sein, Opfer und Täter zu isolieren, so die Bundespolizisten. Damit nehme man Streithähnen den Wind aus den Segeln, hieß es. Dann gelte es, die Nummer 110 zu wählen, die Polizei zu verständigen und den Täter zu beschreiben. Vor allem aber müsse das Opfer aus der Konfliktsituation befreit werden, auf jede denkbare Art und Weise.

Aber wie erkennen, ob es sich tatsächlich um ein Opfer handelt? „Was hätte ich tun müssen, um es Ihnen leichter zu machen, mir zu helfen?“, wollte Anke Klahr wissen. „Etwas sagen“, meinte ein junger Mann und bekam recht: „Jawohl! Ich hätte schreien müssen: Lassen Sie mich in Ruhe! Und an Sie alle gewandt: Helfen sie mir! Holen Sie mich hier raus!“, bestätigte die Bundespolizistin.

Natürlich dürften alle helfen, nicht nur die direkt Angesprochenen. Deshalb appellierte die Beamtin eindringlich an die Augenzeugen des Schauspiels, in solchen Fällen die Umstehende anzusprechen und sie aufzufordern, selber aktiv zu werden.

Ihr Kollege Thomas Schlageter ergänzte: „Wer nur um Hilfe ruft, ruft oft vergebens. Wer aber Menschen direkt auffordert, zu helfen, bekommt diese Hilfe zu 95 Prozent. Das ist bewiesen.“

Bei der Manöverkritik kamen die Beamten zum Schluss: Viele auf dem Bahnsteig haben vieles richtig gemacht. Das sei ein durchaus positives Ergebnis dieses Rollenspiels, das Teil der Aktion „Der Landkreis in Bewegung – Zivilcourage geht uns alle an!“ gewesen ist.

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