Schopfheim „Das Problem nicht verharmlosen“

Markgräfler Tagblatt

Wohnungsnot: SPD-Stadtrat Peter Ulrich beantragt die Bildung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe

Von Petra Martin

War die Diskussion hitzig wegen der kurz bevorstehenden Bundestagswahl, oder war es generell eine schon länger herbeigesehnte Debatte, als die Stadträte bei der jüngsten Gemeinderatssitzung die Wohnungsnot zum Anlass eines Schlagabtausches nahmen?

Schopfheim. Nach der SPD-Veranstaltung zu diesem Thema im August ergriff Peter Ulrich die Gelegenheit, nochmals Dampf zu machen. „Die Wohnungssituation in Schopfheim ist angespannt“, so Ulrich, der die von ihm angestoßene Debatte über das brisante Thema sehr willkommen hieß. „Wir brauchen ein koordiniertes Vorgehen“, forderte er.

Beim Bau neuer Wohnungen solle die Stadt Wohnungsgrößen fordern, die kompatibel mit den Bestimmungen für den Wohnberechtigungsschein sind. Sozialwohnungsbau solle - zumindest anteilig - auch hinter dem Theodor-Heuss-Gymnasium entstehen und durch einen Mix Ghettoisierung vermieden werden.

Auch eine ausschließliche Vergabe an die Wohnbau Lörrach und die Baugenossenschaft Schopfheim, mit dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, komme in Frage.

Auf welche weiteren Flächen habe die Stadt direkten oder indirekten Zugriff, wollte Ulrich wissen - Stichwort: Fortschreibung des Flächennutzungsplans. Diskutiert werden könne auch über ein Zweckentfremdungsverbot. In anderen Städten sei es bereits verboten, Miet- in Ferienwohnungen umzuwandeln. Um die Wohnungsnot zu lindern, müssten auch Möglichkeiten der innerstädtischen Verdichtung ausgeschöpft werden, brachte Peter Ulrich zur Sprache.

Möglichkeiten der Bauflächenausweitung, das Baugebot nach dem Baugesetzbuch, die Ausweitung der Belegungsbindung des Wohnungsbestandes der Wohnbau Lörrach und die Zusammenarbeit der Stadt mit sozialen Beratungsstellen müssten in Betracht gezogen werden.

Peter Ulrich forderte die Bildung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe „Bezahlbarer Wohnraum“ unter Beteiligung der Stadtverwaltung mit dem Ziel, den Gemeinderat über mögliche Strategien und Steuermöglichkeiten im Wohnungsbau zu informieren.

Dazu passte, dass bei der Sitzung Thomas Nostadt anwesend war. Der Geschäftsführer der Wohnbau Lörrach zeigte sich vor dem Hintergrund der Wohnungsnot „sehr froh“ über den Ausbau des Mietwohnungsbaus in der Markgrafenstadt.

Eine Rekordzahl von 989 Interessenten suche nach einer bezahlbaren Mietwohnung, also Haushalte mit insgesamt mehr als 2000 Menschen. Umkehrt gebe es einen „absoluten Tiefstand“ bei den Mieterwechseln im Eigenbestand der Wohnbau: Nur 20 Mieterwechsel habe es im vergangenen Jahr gegeben. „Es zieht keiner mehr aus.“

Nostadt lobte die Stadt, die für das Eisweiher-Neubau-Projekt alle erforderlichen Maßnahmen schnell umgesetzt habe. Der europaweit ausgeschriebene Wettbewerb laufe seit dem Frühjahr, die Jury werde im November tagen. „Wir sind gespannt und hoffen auf ein klares Ergebnis.“ Das Verfahren koste zusätzlich ein halbes Jahr, doch die Wohnbau schätze Architektenwettbewerbe.

Parallel dazu würden Sanierungen stattfinden, die gerade in Schopfheim dringend nötig seien. Im vergangenen Jahr seien Gebäude in der Schwarzwaldstraße und in der Schustergasse auf Vordermann gebracht worden.

Aktuell werden Häuser mit 42 Wohnungen in der Roggenbachstraße saniert. Dies lasse sich die Wohnbau drei Millionen Euro kosten. Eigentlich handele es sich um Häuser, die die Wohnbau habe aufgeben wollen, nun würden sie saniert, um die Wohnungen zu erhalten. Es handele sich um die größten Sanierungsarbeiten in Schopfheim der vergangenen Jahre. Die Maßnahme solle bis Weihnachten abgeschlossen sein.

Im nächsten Jahr solle ein Haus in der Schlierbachstraße, ein „denkmalgeschütztes Schatzkästlein“, in Angriff genommen werden.

Thomas Nostadt sprach sich indes eher für Wohnungen ohne Belegungsbindung aus. Sonst könnten Alleinerziehende, soziale Organisationen oder Senioren-Wohngemeinschaften möglicherweise ins Hintertreffen geraten. Beim Eisweiher-Projekt handele es sich teilweise um geförderte Wohnungen. Dies sei aber manchmal schlecht für die Investoren, „ein komplexes Thema“, wie Nostadt befand.

„Wir fühlen uns gut aufgehoben bei der Wohnbau“, betonte Bürgermeister Nitz. SPD-Fraktionsvorsitzender Artur Cremans sprach von einem „anspruchsvollen Objekt“ am Eisweiher. Mit dem Neubau werde „ein Leuchtturm gesetzt“. Es sei eine gute Idee der Stadt gewesen, sich der Wohnbau Lörrach angeschlossen zu haben. Heidi Malnati (CDU) gefiel besonders die Innovativität der Wohnbau und dass immer alles so flott laufe. Das wünsche sie sich auch für andere Bauprojekte.

Ernest Barnet (Grüne) hatte lobende Worte für die Wohnbauprojekte, meinte aber, die 989 Wohnungssuchenden säßen nicht alle auf der Straße. Im übrigen sei auch weniger Gewinn in Ordnung.

Peter Ulrich warf Barnet vor, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu relativieren. „Hinter den Zahlen verbergen sich prekäre Verhältnisse.“ Es gehe auch um Kinder, die aufgrund fehlender bezahlbarer Wohnungen nicht ausziehen könnten, und um junge Familien, die die problematische Wohnungslage zu spüren bekämen, weil Wohnungen etwa für einen Handwerker unerschwinglich seien. Barnet verharmlose das Problem.

Der Gemeinderat stellte den Jahresabschluss 2016 der Wohnbau einstimmig fest und sprach sich für die Rückführung des Bilanzgewinns von rund 611 600 Euro zu den freien Rücklagen aus.

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