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Schopfheim Deportiert:

Markgräfler Tagblatt

Vor genau 75 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden 6500 Juden

Vor genau 75 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden 6500 Juden aus Baden, dem Saarland und der Pfalz in das Internierungslager Gurs deportiert. Unter ihnen waren auch neun jüdische Mitbürger aus Schopfheim. Keiner dieser Menschen hat die Deportation überlebt.

Von Anja Bertsch

Schopfheim. Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Alten Kirche St. Michael und einer Gedenkfeier am Mahnmal für die Deportierten auf dem Museumsplatz erinnerten die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden am Donnerstag an die Verschleppung.

„Wir erstarren und schweigen, und wir flehen um Erbarmen im Angesicht dessen, was Menschen anderen Menschen angetan haben“, sagte der evangelische Pfarrer Martin Schmitthenner im Rahmen des gemeinsam mit Pfarrer Kai Tilgner und der katholischen Gemeindereferentin Ulrike Lebert gestalteten Gottesdienstes.

Kai Tilgner stellte das Anfangskapitel des zweiten Buch Mose ins Zentrum seiner Predigt, und hierin den Widerstand der Hebammen Schifra und Pua gegenüber der Anweisung des ägyptischen Königs, sämtliche neugeborenen Jungen zu töten.

Auch vor 75 Jahren habe es Menschen geben, die sich Gott mehr verpflichtet fühlten als den weltlichen Machthabern und die Kraft hatten, nicht einfach das zu tun, was ihnen befohlen wurde. „Es ist möglich, sich dem Sog des Bösen zu entziehen“, so seine Botschaft, „aber es waren zu wenige die ihre Nächstenliebe gegen das nationalsozialistische Verbrechen stellten.“

Deutliche Worte fand Tilgner für die Verstrickung der christlichen Kirchen in die Gräueltaten gegenüber den jüdischen Mitbürgern. So waren seinerzeit 95 Prozent der Bevölkerung Mitglieder der christlichen Kirchen; die allermeisten Parteimitglieder gehörten somit einer der Kirchen an. Weiters hätten die im Christentum seit jeher gehegten Vorbehalte gegen Juden eben jenes Denken hervorgebracht, auf dem die antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus gründete, so Tilgner.

Beschämend sei, wie die Kirche als Institution während der Nazidiktatur ihren Beitrag zur antijüdischen Stimmung geleistet habe, etwa indem sie das Alte Testament als Kampfschrift gegen die Juden missbraucht habe.

Er mahnte, den Blick beim Gedenken nicht allein auf die Vergangenheit zu richten, sondern auch die Gegenwart in den Blick zu nehmen: Die Geschehnisse damals seien eine Mahnung, „was passieren kann, wenn wir nicht wachsam sind.“ Heute, 75 Jahre nach Gurs, „sind es sehr viele, die dafür sorgen, dass traumatisierte Menschen sich in Schopfheim wieder heimisch fühlen können“, schloss Tilgner mit hoffnungsfrohem Blick auf den großen Kreis an Unterstützern, der sich rund um die Flüchtlingsunterkunft im Oberfeld gebildet hat.

Nach dem Gottesdienst sammelten sich die Besucher vor dem Gedenkstein für die jüdischen Mitbürger auf dem Museumsplatz hinter St. Michael. Hier erinnerte Pfarrer Andreas Ströble an die Geschichte der Schopfheimer Juden, die vor 75 Jahren am frühen Morgen von der Gestapo aus ihren Häusern gezerrt wurden, innerhalb weniger Minuten ihr Gepäck richten mussten und in Sonderzügen in das Internierungslager am Fuß der Pyrenäen gebracht wurden.

„Das kam nicht plötzlich“, betonte Ströble: Schon zu Beginn der Naziherrschaft 1933 begann die Hetze gegen die damals noch 18 Juden in der Stadt. Das Internierungslager Gurs selbst war für die allermeisten eine Zwischenstation auf dem Weg in die Vernichtunsglager im Osten. „Die allermeisten Deportierten wurden noch am Tag ihrer Ankunft in den KZs ermordet“, so Ströble. „Darunter wohl auch die Schopfheimer, deren Spuren sich dann verlieren.“

War während des Gottesdienstes ein siebenarmiger Leuchter - die Menora - als Symbol des jüdischen Glaubens nach und nach entzündet worden, so gab es zum Ende der Gedenkfeier für jeden Anwesenden die Gelegenheit, einen Stein neben dem Mahnmal niederzulegen und so mit einem jüdischen Ritual an die Deportierten zu erinnern.

Für die musikalische Umrahmung von Gottesdienst und Gedenkfeier sorgten die Vokaliesen und ein Bläserensemble des Musikvereins Wiechs.

Bella Auerbacher, Samuel und Friederike Braunschweig, Samuel Moses, Salomon und Klara Weil, Berta Grünenbaum Sowie Meta und Herbert Mayer.

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