Schopfheim Ein wahrer Stern am Folk-Himmel

Markgräfler Tagblatt
Lucy Ward und Anna Esslemont begeisterten bei ihrem Auftritt im „Goldenen“. Foto: Heiner Fabry Foto: Markgräfler Tagblatt

Lucy Ward und Anna Esslemont wirbeln das Publikum im „Goldenen Löwen“ durcheinander

Schopfheim (hf). Die Idee der Macher des Lörracher Stimmen-Festivals, mit der kostenlosen „Stimmen on Tour“ Appetit auf mehr Konzertbesuche zu machen, kann man nur begrüßen.

Nach der Veranstaltung in der Kulturkneipe „Goldener Löwe“ ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass nicht alle, die den Auftritt von Lucy Ward und Anna Esslemont miterlebt haben, auch zum Eröffnungskonzert dieses Folk-Wirbelwinds nach Lörrach pilgern. Frisch, herzerfrischend offen und mit einer atemberaubenden Energie zeigten die jungen Musikerinnen, welche Kraft und welche Schönheit in der Folkmusic liegen kann.

Den Abend eröffneten Goldbarne aus der Schweiz. „Eigentlich passt unsere Musik eher zu Herbst und Winter“, scherzte Sänger und Songwriter Frank Wenzel vor dem ersten Stück. Die stillen, melancholischen Songs von Frank Wenzel, begleitet und variiert vom virtuosen Gitarrenspiel von Dragan Pijetlovic und begleitet vom kraftvollen Bass von Marian Rivar, ziehen den Zuhörer in ihren Bann und regen zum Träumen und Mitleiden an. Nach diesem – im positiven Sinne – wolkenverhangenen Auftakt brach mit Lucy Ward eruptiv die Sonne durch.

Die junge Frau, die im vergangenen Jahr von der BBC als „Folk Singer of the Year“ nominiert worden war, überrascht vom ersten Augenblick auf der Bühne durch ihre ungeheure Präsenz. „Folk music erzählt Geschichten, wirkliche Geschichten aus dem Laben“, wird sie im Laufe ihres Konzerts erzählen. Geschichten, die im Zuhörer etwas zum Klingen bringen, eine Erinnerung, eine Resonanz wachrufen und darum zeitlos sind. Solche Geschichten singt Lucy Ward. Und sie singt sie mit einer Intensität, dass einem die Schauern über den Rücken laufen. Nein, sie singt eigentlich nicht, sie zelebriert ihre Lieder auf eine Weise, der man sich nicht entziehen kann. Dabei wird klar, dass Folksongs nichts mit Volksliedern in unserem Sprachgebrauch zu tun haben, sondern in Thematik und Aussage ganz dicht an der Wirklichkeit bleiben.

Die beiden sind wahrhaftig unglaubliche Energiebündel, wenn sie ihren Auftritt zelebrieren. Lucy Ward begleitet sich auf der Gitarre. Für ihre Auftritte in Deutschland hat sie Anna Esslemont an der Geige gewinnen können. Die beiden bringen einen Schwung in ihre Lieder, der mitreißt. Bei den leiseren, eindringlicheren Songs trägt die Stimme von Lucy Ward, während Anna Esslemonts Geige die Stimme umspielt, umschmeichelt und ihre Präsenz verstärkt und unterstreicht.

Das überschäumende, fröhliche Temperament von Lucy Ward wird still und eindringlich, wenn sie ihre eigenen Songs vorstellt. Bewegend das Lied von „Ikarus‘ girlfriend“, einem Lied von der Trauer derjenigen, die zurückbleibt, weil der andere in seinen Träumen zu hoch fliegt. Oder vom „Show-back“, einer Erzählung vom Leben von Lucys Großvater, der mit seinen Erlebnissen im Krieg alleine gelassen wird und der ein Leben lang keine Antwort auf seine Fragen findet. Folkmusic ist eben kein volkstümliches Gesäusel, sondern Auseinandersetzung mit den Fragen, die uns alle immer angehen. „I sing for the dead men“ intoniert Lucy Ward zur Frage der Finanzkrise. „Ich weiß nicht, wie es bei euch zugeht“, wendet sie sich an das Publikum. „Aber wir alle sollten unsere Regierung, unsere Politiker verantwortlich machen, für das was sie tun und entscheiden.“ Und der Refrain ihres Songs ist ein Appell: „Sie können uns nicht ignorieren, wenn wir alle aufstehen und unsere Stimme erheben.“ Aber wollte man Lucy Ward auf diese Songs reduzieren, täte man ihr bitter unrecht. Sie streut in ihr Programm „Traditionals“, bei denen so richtig die Post abgeht. „Never wed an old man“ zum Beispiel gab den beiden jungen Damen Gelegenheit, so richtig Dampf abzulassen und ein musikalisches Feuerwerk in den Saal zu blasen.

Nach einem unglaublich intensiven Auftritt kündigte Lucy Ward als Zugabe „ein richtiges Liebeslied“ an. Ihr Kommentar war typisch. „Es ist ein wirkliches reines Liebeslied“, strahlte Lucy ins Publikum, „kein Folksong. Wäre es ein Folksong, dann wäre am Ende mindestens einer tot.“

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