Schopfheim Fazit: „Eine neutrale Stelle fehlt“

Markgräfler Tagblatt

Windkraft Gersbach: Forscher von „Dezent Zivil“ ziehen vorläufige Bilanz ihres Projektes

Von Werner Müller

Schopfheim. „Es gibt viel radikalere Verfahren als das in Gersbach. Das war normal und sachlich“. Diese vorläufige Abschlussbilanz zieht Christoph Ewen, der mit seinem gleichnamigen Team unter dem Titel „Dezent Zivil“ seit Anfang des Jahres den „Windkraft-Dialog“ im Golddorf inszenierte und moderierte.

Das von Bund und Landesregierung geförderte Forschungsprojekt steht jetzt unmittelbar vor dem Abschluss. Gestern Abend veranstaltete das Projekttema in Gersbach noch einmal eine Bürgersprechstunde zum Windpark Hasel. Danach findet noch einmal eine Telefonumfrage unter den Bürgern zum Thema Windkraft statt, deren Ergebnisse die Forscher mit jenen vergleichen wollen, die sie am Anfang des Projektes erhalten haben.

„Wir wollen wissen, ob und was sich im Laufe des Projektzeitraumes verändert hat“, so Christoph Ewen gestern anlässlich eines Pressegespräches. „Dezent Zivil“ sollte, wie mehrfach berichtet, in Gerbach herauszufinden versuchen, wie das komplexe Genehmigungsverfahren zur Windkraft transparenter gestaltet und wie Konflikte zwischen Bürgern und Behörden fair ausgetragen werden können.

Für ein endgültiges Fazit hinsichtlich dieses Forschungsauftrages im speziellen Gersbacher Fall ist es nach den Worten von Christoph Ewen zwar noch zu früh. Ein vorläufiges Resümee steht für ihn aber schon fest: „Eine neutrale Stelle fehlt in den aktuellen Genehmigungsverfahren“, so der Leiter von „Dezent Zivil“. Dies sei eines der „zentralen Ergebnisse“ des Gersbacher Projektes.

Die Sozialforscher wollen nach Abschluss des Projektes der Landesregierung denn auch empfehlen, in komplexen Genehmigungsverfahren – beispielsweise für Straßenbauten, Gefängnisneubau oder Pumpspeicherbecken– eine solche neutrale Instanz einzurichten.

Im Gersbacher Windkraft-Fall habe das Projekt denn auch demonstrieren können, was eine „zentrale neutrale Instanz“ bewirken könne. Ewen sieht diesbezüglich zwei große Aufgaben. Zum einen das Verbessern der Kommunikation, die in den starren Planungsverfahren oftmals „schief“ verlaufe. Da könne eine neutrale Stelle zur Entzauberung und zur Entschärfung beitragen, die Bürger auf der einen Seite „verfahrensmündiger“ machen und die Behörden auf der anderen Seite „dialogfähiger“.

Dies sei die „Pflicht“. Die „Kür“ besteht laut Ewen darin, die trotz alledem unvermeidlichen Interessenkonflikte zu entschärfen. Das sei allerdings nur dann möglich, wenn beide Verfahrensparteien dies für notwendig erachten – was in Gersbach allerdings nicht der Fall gewesen sei.

Als ein weiteres Ergebnis aus dem Golddorf nehmen die Forscher von „Dezent Zivil“ die Erkenntnis mit, dass die so genannte „frühzeitige Bürgerbeteiligung“ im Rahmen der Flächennutzungsplanungen zu hinterfragen sei. „Das funktioniert doch gar nicht“, so Ewen. Auch diesbezüglich werde sein Team den zuständigen Behörden Verbesserungen vorschlagen.

Nicht zuletzt zu diesem Zweck veranstaltet „Dezent Zivil“ nach Abschluss seines Gastspieles im Golddorf im Neuen Schloss in Stuttgart unter dem Titel „Neue Wege in der Öffentlichkeitsbeteiligung“ einen ganztägigen Workshop für Wissenschaftler, Behördenvertreter, Planer und Politiker. 30 Fachleute diskutieren unter anderem über plakative Aussagen wie: „So ein blöder Federvogel hat mehr Gewicht als wir Menschen“, über rechtliche Spielräume in Genehmigungsverfahren und Möglichkeiten, einen „fairen Konfliktaustrag“ zu unterstützen.

Unterm Strich ist Christoph Ewen mit den Erkenntnissen, die er und sein Team in Gersbach sammelten, denn auch zufrieden. „Das hat ganz gut geklappt“. Auch von Forscherkollegen, die bundesweit ähnliche Projekte durchführen, habe „Dezent Zivil“ schon Lob eingeheimst, weil es von allen das „praxisnächste“ sei.

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