Schopfheim Feiern in Gummistiefeln oder barfuß

Markgräfler Tagblatt

30 Jahre Holzrock: Festivalgelände versank zum Jubiläum im Matsch, was dem Erfolg aber keinen Abbruch tat

Schopfheim (jab). Zur Schlammparty wurde das Holzrock-Jubiläum am Wochenende: Deftige Regenfälle unter der Woche zusammen mit heftigem Besucherandrang beim Festival sorgten dafür, dass sich das Festivalgelände im Sengelen übers Wochenende in ein ausgedehntes Sumpfgebiet verwandelte, in dem die ausgelegten Euro-Paletten und Holzplanken das einzige war, was festen Halt unter den Füßen versprach.

Die Festivalgänger ließen sich davon nicht abschrecken: Am Freitag und am Samstag pilgerten Hunderte von Holzrock-Fans ins Sengelen, um dort allen Wetter-Widrigkeiten zum Trotz ein buntes Fest zu feiern. Gummstiefel oder barfuß also war die Festivalkluft der Wahl, oder die irgendwann eben einfach dem dreckigen Untergang preisgegebenen Sneakers.

Das gute dran: Waren Berührungsängste, Hopfen und Malz nach einiger Zeit endgültig verloren und ergab man sich in das sumpfige Schicksal, schlidderte, stakste und watete es sich ganz entspannt durchs Gelände, von Bonkasse zu Bierstand, vom Do-it-yourself-Grill an der Vegieburger-Theke vorbei zum Open-Air-Tischkicker - und natürlich vor die Bühne: Zum dreißigsten Geburtstag hatten die Holzrock-Macher sich und ihren Gästen ein besonders dickes Line-up zusammengestellt.

Insgesamt elf Bands sorgten an den beiden Festivaltagen jeweils ab dem frühen Abend für die Beschallung. Mit dabei der geschmeidig-melodiöse Hiphop von „Fennis & Börner“ oder die Alternative-Rock/Disco-Punk/Electro-Dance-Mischung der „Langtunes“ aus Teheran.

Und während die „Youth Avoiders“ aus Frankreich in einem Blitzauftritt unter dem Motto hart und schnell dem Publikum schon nach einer halben Stunde ihr komplettes Repertoire um die Ohren gehauen hatten, ließen sich die legendären „Guts Pie Earshot“ aus Köln / Berlin etwas mehr Zeit: „Viel Spaß beim zweiten Stück“, so die hehren Wünsche von Drummer Jean Jacobi nach den ersten 45 Minuten. „Guts Pies Earshot“ waren es denn auch, die die Holzrock-Gänger am zweiten Abend in schräger Minimalbesetzung aus Cello und Drums mit psychedelischem Elektro-Punk endgültig in ekstatische Trance-Gefilde verschickten.

Wichtig ist beim Holzrock immer auch neben der Bühne: Unterm weit gespannten Schirm der Selbermacher- und Off-Kultur gibt es auf dem Gelände über Tage und Nächte hinweg einiges zu gucken und hören.

Mit einem Gemeinschaftsprojekt für Kinder und Jugendliche aus dem St. Josefshaus in Herten und aus dem Rheinfeldener Flüchtlingsheim etwa enterte Tempus Fugit am Samstagmittag das Zirkuszelt, um Michael Endes „Gauklermädchen“ auf die Bühne zu bringen.

Eher rauen Charme entfaltete dagegen eine spontane Lagerfeuersession Samstagnacht, als eine posaunenlastige Holzrock-Jubiläums-Version der Pogues-Klassikers „Dirty-Old-Town“ übers Gelände waberte.

Spontaneität und Improvisationskunst waren auch auf dem Campingplatz gegenüber dem Festivalgelände gefragt: Das Brathenderl regengeschützt unterm Sonnenschirm schmoren, die Tischgesellschaft unterm 1,5 Quadratameter großen Vorzelt versammeln, und ansonsten eben hoffen, dass die Befestigung nicht aus dem nassen Boden herausflutscht.

Klare politische Ansagen - gegen Nazis, gegen Repression, für eine Flüchtenden-freundliche Politik - gehören ebenso zum Selbstverständnis des Holzrocker wie der ausdrückliche Nicht-Kommerz und Nicht-Konsum: Die Freiburger Volxküche „Maulwürfe“ etwa gibt ihr Essen auf Spendenbasis ab, nimmt den Mit-Esser aber auch ran, wenn’s ums Ordnung machen geht: „No Full Service“, stellt ein Plakat klar – statt dessen: „Selber essen, selber spülen, selber abtrocknen“.

Einem trauten Künstler- und Basteltreff glich das Gelände am Samstagmittag: Blechdosen als Ausgangsmaterial fürs Blumen- und Aschenbecher-Flechten mit feinen Fingern, oder den Jubiläums-Hoodie selbst besiebdrucken: Besonders die Kinder gingen im Selbermachen auf.

Naturgegeben ein wenig kurz kam bei der diesjährigen Holzrockauflage das Gemütlichsein, auf Picknickdecken, unter lauschigen Eichen, das das Holzrock in guten Jahren auch für Papa-Mama-Kind zum Anlaufpunkt macht - in den Mittagsstunden, wenn die Luft noch lau, die Musik noch nicht zu laut ist.

Einige Familien fanden trotzdem den Weg nach oben – ausstaffiert mit Matschhose und Gummistiefel: Kleine Nachwuchsrocker mögen eine ordentliche Matscherei gut leiden. Ein besonderes Schmankerl zum Jubiläum war die Galerie mit Plakaten, Flyern und Zeitungsartikeln aus früheren Holz- beziehungsweise Woodrock-Jahren. Und vor allem natürlich mit alten Fotos, die zum amüsanten Leute-von-früher-Erkennen einluden.

In einer flauschigen Lounge ließ es sich auf der eigens aus dem Irrlicht aufs Sengele gekarrten Couchgarnitur gemütlich sein, während auf einem standesgemäßen Uralt-Fernseher der Holzrockfilm von Anno-Dazumal über die Matschscheibe flimmerte. Ein schönes Foto-Motiv übrigens für den Rückblick beim nächsten Holzrock-Jubiläum.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading