Schopfheim Mit der Bestnote zum Doktortitel

Markgräfler Tagblatt

Ruthard Hirschner promoviert mit einer Arbeit über „Das kommunale Ökokonto als Wirtschaftsgut“

Von Werner Müller

Schopfheim. Eine Revolution auf leisen Sohlen? Denkbar ist schon, dass Ruthard Hirschner etwas ausgebrütet hat, das noch für Zündstoff sorgen wird. Der Rathausjurist will für den Naturschutz in der Bauleitplanung nämlich eine Bresche schlagen und hat zu diesem Zweck – eine Doktorarbeit verfasst.

„Das kommunale Ökokonto als Wirtschaftsgut“, so lautet der eher unscheinbare Titel der Dissertation, die nach Auffassung des Autors unter Umständen unter Umständen „zu einem Aufschrei führen“ und für Diskussionen sorgen wird.

Sicher steht allerdings jetzt schon fest, dass Hirschner mit seiner wissenschaftlichen Arbeit im Juli an der TU Kaiserslautern im zarten Alter von 64 Jahren zum „Dr. rerum politicarum“ (rer. pol.) promoviert hat. Mit durchschlagendem Erfolg sogar: Für seine gut 250-seitige Abhandlung bekam der Schopfheimer Beigeordnete die Bestnote verliehen: „mit Auszeichnung“ (summa cum laude).

Knapp zehn Jahre lang ackerte sich der Rathausjurist in seiner Freizeit heimlich, still und leise durch eine sperrige Materie aus Bauplanungsrecht und Umweltrecht, Ökonomie und Ökologie, wälzte armdicke Gesetzbücher und Kommentare, opferte Wochenenden, Feiertage und Ferien, um einen Ausweg aus einem Dilemma zu finden, das ihn schon seit langem unter den Nägeln brennt.

Denn aus beruflicher Erfahrung weiß Hirschner sozusagen aus erster Hand, wie schnell Natur- und Landschaftsschutz beim Abwägungsprozess in Zusammenhang mit Bauvorhaben oder Bebauungsplänen unter die Räder kommen können.

Zwar ist gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Vorhaben, die einen Eingriff in die Natur darstellenen, ein ökologischer Ausgleich stattfinden muss, in der kommunalen Praxis jedoch, so Hirschner, werde dieser Ausgleich mangels geeigneter örtlicher Möglichkeiten oftmals gänzlich „weggewogen“ oder nur in beschränktem Umfang realisiert. – zu Lasten von Natur und Umwelt.

Da setzt Hirschner den Hebel an. Denn, so warnt er, „die Ressourcen sind begrenzt“. Seine Grundidee lautet, für diesen Ausgleich ein

„Das Thema lag mir immer am Herzen“.

flexibles Instrument zu schaffen, das sowohl ökologisch wirkt als auch ökonomisch sinnvoll ist. Die Lösung sind das „Kommunale Ökokonto“ und das „Öko-Zertifikat“, das als „handelsbares Wirtschaftsgut“ marktwirtschaftliche Elemente nutzt und damit zugleich den Anliegen des Naturschutzes dient.

„Es ist ein Handel mit Natur, die zuvor geschaffen werden muss“, so Hirschner. Ein Ökozertifikat erwerben können nach Hirschners Modell sowohl Kommunen als auch Privatpersonen und Verbände, indem sie zum Beispiel ein Biotop einrichten oder eine Streuobstwiese pflegen und sich dies nach einer gutachterlichen Bewertung zertifizieren lassen, um es sodann auf dem kommunalen Ökokonto zu hinterlegen.

Mit diesen Zertifikaten – im weitesten Sinne eine Art Wertpapier – lässt sich dann Handel treiben. So können Kommunen vor Beginn eines Bebauungsplanverfahrens zum Zweck des ökologischen Ausgleichs ein Öko-Zertifikat am Markt erwerben und die Kostenerstattung im Verfahren wieder geltend machen. Auf der anderen Seite können auch Grundstückseigentümer oder Vorhabenträger Öko-Zertifikate „auf Vorrat kaufen“ und diese später bei Bedarf auf die Gemeinde übertragen, um auf diesen Weise den ökologischen Ausgleich zu sichern.

Von diesem Verfahren, so Hirschner, könnten Landwirte ebenso profitieren wie Umwelt und Naturschutzverbände, weil sie für ihre ökologischen Projekte Geld bekämen. Die Öko-Zertifikate könnten ebenso eine „Einnahmequelle für strukturschwache Gebiete“ darstellen, weil Kommunen in Ballungsgebieten, wo ökologische Ausgleichsmaßnahmen oft schwierig sind, dafür Ökozertifikate aus der Region erwerben könnten.

In seiner Doktorarbeit weist Ruthard Hirschner nach, dass Öko-Zertifikate schon auf Grundlage der jetzigen Gesetzeslage realisierbar sind und dass sich dafür nicht nur auf Landes-, sondern auch auf kommunaler Ebene ein Markt etablieren lässt. Die Kommunen müssten dazu ihre Ökokontenmaßnahmen lediglich auf den Internetplattformen ihrer Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag) nachweisen.

„Ausgleichsmaßnahmen lassen sich dadurch wirtschaftlicher handhaben und sind ökologisch zugleich sinnvoller“, ist Hirschner überzeugt, mit seiner Arbeit in „neue Dimensionen“ vorgestoßen zu sein. Diese Thematik sei ihm „schon seit langem eine besonderes Herzensanliegen“ gewesen.

Um den Doktortitel ging es Hirschner denn auch nicht in erster Linie. Er habe vielmehr seine rechtlichen Kenntnisse vertiefen und vor allem dieses „interdisziplinäre“ Problem lösen wollen. Im Übrigen sei es natürlich auch eine persönliche Herausforderung gewesen, 33 Jahre nach dem juristischen Staatsexamen nochmals wissenschaftlich zu arbeiten.

„Ich war der Alterspräsident bei den regelmäßigen Doktorandentreffen an der Uni“, schmunzelt Hirschner. Für seine schriftliche Arbeit bekam der Rathausjurist ebenso die Note „sehr gut“ wie für seine Leistung in der mündlichen Prüfung. Seinen frisch erworbenen „Dr.“ darf er führen, sobald die letzten Formalitäten erledigt sind. Die Krönung seiner akademischen Mühen wäre für den promovierten Beigeordneten jetzt, wenn irgendjemand seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis umsetzt und in Sachen kommunalem Ökokonto den „Vorreiter spielt“ .

Ruthard Hirschner ist seit 1995 Beigeordneter der Stadt Schopfheim. Der Jurist und Diplom-Volkswirt war zuvor acht Jahre lang Bürgermeister von Ettenheim. Mit seiner Dissertation zum Thema „Das kommunale Ökokonto als Wirtschafstgut“ promovierte er am Fachbreich Raum- und Umweltplanung der TU Kaiserslautern „mit Auszeichnung“ zum Doktor rerum politicarum. Die mündliche Prüfung fand am 24. Juli statt.

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