Schopfheim „Nur noch ein Mantel aus weißer Asche“

Emel Zeynelabidin
Takashi Nagai und seine Frau Midori. Foto:  

In der Reihe „Zeugen für den Frieden“ stellt das katholische Bildungswerk Geschichten von Menschen vor, die sich für den Frieden eingesetzt haben. Im jüngsten Vortrag ging es um einen Überlebenden des Atombombenabwurfs von Nagasaki und seine Frau.

Takashi Nagai war Arzt, überzeugter Atheist und Materialist. Erst durch die Begegnung mit seiner Frau Midori konvertierte er zum Christentum. Berühmt wurde er jedoch nicht deshalb, sondern, weil er die Katastrophe nach der Atombombe auf Nagasaki am 9. August 1945 weitere sechs Jahre überlebte. Während jener Jahre schrieb Nagai über zehn Bücher aus seiner neuen Perspektive als Christ. Seine Schriften bescherten ihm Reichtum, den er dem Aufbau von Nagasaki vermachte und 1000 Kirschbäume pflanzen ließ.

Ein Dutzend Interessierter sind für den Vortrag zusammengekommen. Aus der Wanderausstellung „Was niemals stirbt“ sind zwei von insgesamt zehn Ausstellungstafeln aufgestellt, die in chronologischer Anordnung die Lebensgeschichte darstellen.

„Annehmen, wie es ist“

Der Referent Adolf Diefenhardt ist Allgemeinmediziner und studierter Theologe. Er hat Auszüge aus den Büchern Nagais zum Verteilen kopiert. Dazu spielt er einen kurzen Film „Was niemals stirbt“ ab. Für ihn bedeutet Frieden „die Fähigkeit, das Leben so anzunehmen, wie es ist, und zu wissen, dass alles Teil eines Plans von Gott ist, der gut ausgehen wird“. Er fügt hinzu, dass „ohne die Dimension der Vergebung die Zukunft der Menschheit nicht möglich“ sei.

Es war eine Ausstellung „Freundschaft unter den Völkern“ in Rimini, die Diefenhardt 2022 besuchte, über die er auf das japanische Ehepaar gestoßen ist. Dort lernte er den italienischen Verein „Amici di Takashi e Midori Nagai“ (amicinagai.com) – Freunde von Takashi und Midori Nagai – kennen, der sich für die Verbreitung von deren Lebensgeschichte einsetzt. Diefenhardt war und ist tief beeindruckt von Nagais „Weg zur Vollendung seiner Selbst“.

Nagai hatte Medizin studiert, wollte Internist werden. Nach einer Hirnhautentzündung jedoch wird er auf dem einen Ohr taub. Da er mit nur einem Ohr kein Stethoskop nutzen kann, entscheidet er sich für die Radiologie – eine Entscheidung, die ihm später das Leben retten soll: Als jene Bombe am 9. August 1945 um 11.02 Uhr abgeworfen wird, hält sich Nagai gerade in der Radiologie-Abteilung auf, die sich im Kellergeschoss des Krankenhauses befindet. Dadurch ist er geschützt vor der enormen Hitze und atomaren Strahlung.

Das Ausmaß der Zerstörung

Nach der Katastrophe versucht Nagai zusammen mit anderen überlebenden Kollegen Verwundete zu versorgen, obwohl er selbst betroffen ist. Er sieht das Ausmaß der Zerstörung. Alles was er besaß, hat er verloren. Seine Frau ist tot, ihr Rosenkranz zusammengeschmolzen. Er begräbt ihre Überreste, verbrannte Knochen. Er schreibt: „Die Stadtviertel, die Fabriken, die Schulen, die Kirche, die Wälder, die Felder – alles, was gelebt hatte und jetzt leblos war, alles war nur noch ein Mantel aus weißer Asche.“ Es waren unvorstellbare 4000 bis 8000 Grad, die 40 000 Menschen sofort töteten, und an den nächsten Tagen nochmal so viele, hält Nagai in seinen Schriften fest.

Suche nach dem Beständigen

Für Nagai wurde klar, dass, wenn alles Materielle so schnell verloren geht, es etwas geben muss, was Beständigkeit hatte, was „unzerstörbar, unbesiegbar und von Ewigkeit“ war. Er sucht nach Antworten – und findet sie im christlichen Glauben, den er schon vorher angenommen hatte. In der säkulare Gesellschaft stellten sich die Fragen nach dem Sinn des Lebens oft nicht mehr, führt Diefenhardt hier aus; wenn einem aber alles genommen werde und man nicht bitter werden wolle, brauche es diese größere Perspektive für Hoffnung und Vergebung.

Für Diefenhardt ist Nagai ein Beispiel für sein eigenes Verständnis von Frieden: Jeder Einzelne kann im kleinen Kreis positiv wirken, so die Botschaft.

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