Schopfheim „Wir sind mitten im Leben“

Markgräfler Tagblatt

Hebelschule: Sonderschulrektor Johann Tritschler geht zum Schuljahresende in den Ruhestand

Von Petra Martin

Schopfheim. „Wie bitte? Ob ich es jemals bereut habe, Lehrer geworden zu sein? Im Gegenteil!“, sagt Johann Tritschler, der mit Ende dieses Schuljahres in den Ruhestand geht - nach 24 Jahren als Sonderschulrektor an der Johann-Peter-Schule und nach 42 Jahren im öffentlichen Dienst.

Man kann nicht anders, man glaubt Johann Tritschlers Beteuerung aufs Wort. So engagiert und leidenschaftlich erzählt der Sonderschulpädagoge über seine Arbeit - als ob er gerade am Beginn seiner Laufbahn stünde und nicht am Ende.

Johann Tritschler ist mit Leib und Seele Lehrer für Sonderpädagogik, sein Einsatz war prägend für die Entwicklung der Förderschule in der Altstadt. Tritschler und Hebelschule - das gehörte immer zusammen.

„Schon in der Grundschule wollte ich Lehrer werden“, sagt Tritschler, und als er sich dann als Gymnasiast auch noch für Pädagogik, Soziologie, Psychologie und Sozialarbeit interessierte, war klar: „Ich will Sonderschullehrer werden.“ Bestärkt in diesem Wunsch wurde Tritschler durch seine Erfahrungen beim Nachhilfeunterricht, den er als Jugendlicher im Internat schwächeren Schülern gab, und durch eine Hospitanz in einer Schule für Sehbehinderte und Gehörlose. Auch eine starke persönliche, familiär geprägte Motivation kam hinzu: durch das Schicksal seines jüngeren Bruders.

Nach seiner Ausbildung und dem Wechsel in die Markgrafenstadt sorgte Tritschler mit seinem Kollegium dafür, dass sich Eltern und die Stadt mit der Hebel-Förderschule identifizieren konnten - und die Schule mit der Stadt. Möglich wurde dies durch „Inklusion“, ein Begriff, der seinerzeit noch gar keine öffentlichkeitswirksame Rolle spielte, wie Tritschler erläutert. Die Voraussetzung für Integration freilich bildete der Standort der Förderschule: mitten in der Stadt. „Die Hebelschule ist eine gemeindenahe Förderschule, sie ist mitten in der Stadt, mitten im Leben, mitten im Alltag.“

Wenn Tritschler in den Ruhestand geht, hinterlässt er eine Schule mit Markenzeichen. Was zeichnet sie aus? „Dass sie viele außerschulische Mitarbeiter hat“, betont der Rektor. „Die ergänzenden Angebote bringen Leben in die Schule hinein.“ Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern betreuen und fördern die Hebelschüler individuell, „und zwar mit Herzblut“, unterstreicht Tritschler. Schüler mit einer Lernbehinderung lernen hier - fürs Leben.

Integration findet auch über die Kontakte zu Vereinen statt. Der Erfolg zeige sich im Unterricht und im Leben, sagt Tritschler, der sich noch gut an einen jungen Flüchtling aus dem Kosovo erinnert: Der einstige Schüler der Förder-

Lern- und Lebenshilfe

schule ist heute Cheftrainer im Ringen in Rheinfelden und leitet eine Breakdance-Gruppe während der Projektwoche an seiner ehemaligen Schule.

Bei der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung, übrigens auch geleistet von Lehrern, kommen Tritschler seine Fähigkeiten als Netzwerker zugute. Die Hebelschule ein Brückenbauer: Das zeigt sich auch bei den Kooperationsklassen. Die neunte Klasse ist nur an drei Tagen in der Woche in der Schule; ansonsten ist sie gern gesehener Gast in der Berufsschule, darüber hinaus wird am Praxistag in Betrieben gearbeitet.

„Aufgrund der besonderen Förderung machen fast alle ihren Hauptschulabschluss“, so Tritschler, der allerdings schon darüber besorgt ist, dass Berufsfelder von der Gewerbeschule wegfallen oder abgezogen werden sollen; auch die Zehntklässler sind Schüler der Berufsschule. Die Besorgnis ist auch deshalb da, weil die meisten Schüler auf die Förderschule wechseln, wenn sie in die neunte Klasse kommen - nicht vor oder nach der Grundschule. Wie wichtig die Berufsschule ist, zeigen auch die gestiegenen Erfolgsaussichten, eine Arbeit zu bekommen. „Die sind viel besser als früher“, betont Tritschler.

Ein „Leuchtturmprojekt“ sind die ehrenamtlichen Paten - ihre Betreuung ist ebenfalls eine Lern- und Lebenshilfe. „Alle Neunt- und Zehntklässer bei uns haben einen Paten, der an sie glaubt“, kann Tritschler mit Stolz behaupten. „Wir verzeichnen Lernsprünge von einer ganzen Note.“ So hat es denn seine Berechtigung, wenn Sonderpädagogen sagen: „Unsere Schüler sind nicht lernbehindert, unsere Schüler werden am Lernen gehindert, aus verschiedenen Gründen, und da können wir helfen.“

Markenzeichen der Hebelschule ist auch ihre Funktion als Beratungsstelle für Frühförderung in Kindergärten unter der Regie von Konrektorin Hilde Kaufmann-Gauder. Netzwerkarbeit findet auch bei der Inklusion Lernbehinderter in Regelschulen statt: Lehrkräfte der Hebelschule gehen dazu in andere Schulen. Der Verbund innerhalb des sonderpädagogischen

Noch keine Nachfolge

Dienstes, die interdisziplinäre Frühförderung durch alle Schultypen, steht bei der Betreuung von Kindern mit Lernproblemen in nichts nach. Allerdings fehlt - auch durch den Einsatz in anderen Schulen - Personal in der Hebelschule, zumal es zu wenige Sonderschulpädagogen gibt, wie Tritschler bedauert.

Das fuchst den 62-Jährigen schon - genauso wie die Tatsache, dass die Nachfolge für sein Amt noch nicht geregelt ist und die Schule im nächsten Schuljahr möglicherweise ohne Rektor auskommen muss.

Johann Tritschler wurde 1952 in Freiburg geboren. Er absolvierte die pädagogische Hochschule in Lörrach, wurde Grund- und Hauptschullehrer. In Heidelberg studierte er im Rahmen eines „Aufbaustudiums Sonderpädagogik“ Lernbehinderten- und Sprachbehindertenpädagogik. Seine beruflichen Stationen waren Ühlingen, Tiengen, Albbruck und Rheinfelden, 1991 kam er an die Johann-Peter-Hebel-Schule in Schopfheim, wo er Sonderschulrektor wurde.

Die Johann-Peter-Hebel-Förderschule für Kinder mit Lernbehinderung besuchen rund 60 Kinder und Jugendliche - bis zum Hauptschulabschluss ist das möglich. 14 Lehrkräfte unterrichten dort. Eine große Unterstützung erfährt die Schule in ihrer Arbeit durch den 100 Mitglieder umfassenden Förderverein und den Beirat.

u Die offizielle Verabschiedung von Johann Tritschler findet am Freitag, 17. Juli, um 11 Uhr im katholischen Gemeindehaus statt.

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