Sportmix Unheimlich glücklich und kaputt

Die Oberbadische
Trotz aller Strapazen hat sie ihr Lächeln nicht verloren: Clara Koppenburg vom Team „Cervelo-Bigla Pro Cycling“. Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Radsport Giro Rosa 2017: Clara Koppenburg, Profi-Radrennfahrerin aus Lörrach, blickt zurück

„Der Giro Rosa (Italia) ist die größte und schwerste Rundfahrt für Frauen“, macht Clara Koppenburg klar. Das Rennen gehört zur World-Tour, es stehen also die besten Fahrerinnen der Welt am Start. Die Lörracherin aus dem Team „Cervelo-Bigla Pro Cycling“ rangierte am Ende in der Gesamtwertung nach zehn Etappen auf Platz 49, die U23-Wertung schloss sie auf Rang sechs ab.

Von Clara Koppenburg

Venedig. Koppenburg stand den Titelaspirantinnen ihres Teams als „Edelhelferin“ zur Seite. Und wie immer agierte sie sehr mannschaftsdienlich.

Erste Etappe Der Giro startete in der Nähe von Venedig mit einem flachen, 11,5 Kilometer langen Teamzeitfahren. Wir hatten uns einen Podiumsplatz erhofft, jedoch kam es anders. Gestartet wurde auf Kopfsteinpflaster, und schon nach 200 Metern hatte unsere stärkste Fahrerin einen Platten. Nach zwei Kilometern verloren wir dann die nächste Teamkollegin und mussten die restlichen neun Kilometer zu fünft bestreiten. Und das war bei starkem Gegenwind ein großer Nachteil gegenüber den anderen Teams. Am Ende wurden wir Achter – die Enttäuschung war groß.

Zweite Etappe Wir hatten den Auftrag, unsere Bergfahrerin sicher nach ganz vorn ans Feld zu bringen und ihr ein „Lead-out“ in den Berg zu geben. Wir haben gut zusammengearbeitet und unseren Job erfüllt, doch leider klagte unsere Leaderin Ashleig Moolman über Magen-Darm-Probleme und ist noch am Abend ausgestiegen.

Dritte Etappe In einem Etappenrennen ist es sehr wichtig, sich nicht von Niederlagen unterkriegen zu lassen, sondern jeden Tag mit voller Konzentration und Motivation an den Start zu gehen. Bis auf einen zwei Kilometer langen Anstieg mit einer Steigung von durchschnittlich 20 Prozent war die Etappe flach, sodass wir uns einigten, für unsere Sprinterin zu fahren. Rund 20 Kilometer vor dem Ziel haben wir uns als Team zusammengefunden und Lotta Lepistö im vorderen Drittel positioniert. Im Zielsprint ist sie dann Zweite geworden.

Vierte Etappe Anfangs ging es extrem hektisch zu: enge Straßen, unruhiges Feld und eine extrem hohe Durchschnittsgeschwindigkeit. Als es sich nach rund 70 Kilometern beruhigt hatte, fuhr ich zu unserem Begleitfahrzeug zurück, um Flaschen für mich und mein Team zu holen. In dem Moment haben zwei große Teams das sogenannte Echelons eröffnet. Bei sehr starkem Seitenwind rotieren die Fahrer vorn im Wind, ähnlich wie bei einem Teamzeitfahren. Die Geschwindigkeit erhöht sich dabei massiv, und wer nicht in der Reihe drin ist, hat stark gegen den Wind anzukämpfen. Ziel dieser Fahrweise ist, das Feld zu zerstückeln, was in dieser Etappe auch geglückt ist. Leider war unser Team hinten und wurde vom großen Hauptfeld abgehängt. Wir mussten 40 Kilometer lang alles geben, um wieder ranzufahren. In dieser letzten Rennstunde hatte ich eine durchschnittliche Herzfrequenz von 182 Schlägen pro Minute. Das zeigt, wie hart es für mich und meine Teamkolleginnen war, wieder ans Feld heranzufahren. Am Ende haben wir es zwar nicht geschafft und waren auch alle stinksauer, aber wir haben daraus gelernt. Das wird uns sicher nie wieder passieren.

Fünfte Etappe Das Einzelzeitfahren ging über 12,5 Kilometer. Uns „Helferinnen“ wurde gesagt, dass wir locker fahren und den Tag eher als „Ruhetag“ ansehen sollen. Als wir uns aber vor Ort die Strecke anschauten, war uns allen klar, sehr locker kann man da nicht fahren. Früh ging es erst einmal drei Kilometer lang mit einer durchschnittlichen Steigung von 15 Prozent bergauf. Nach einer schweren und verwinkelten Abfahrt kam schon der Schlussanstieg, getoppt von einer Rampe über 800 Meter mit 30 Prozent-Steigung hoch ins Ziel. Kaum jemand ist mit dem Zeitfahrrad gefahren, sondern hat sich eher das leichtere Gewicht des Straßenrads zu Nutzen gemacht. Ich habe versucht, so locker es geht zu fahren, aber die Berge musste man einfach „hochdrücken“, um nicht umzufallen. Am Ende war ich selbst überrascht, dass ich eine recht gute Zeit hatte und noch 25. wurde.

Sechste Etappe Den Tag darauf ging es auf einen Rundkurs mit zwei Anstiegen. Jedoch war allen klar, dass es zu einem Sprint kommt. Wir unterstützten unsere Sprinterin wieder. Mit Erfolg. Lotta konnte das Rennen für sich entscheiden, was uns alle sehr motiviert hat.

Siebte Etappe Die Königsetappe führte über 145 Kilometer, und es gab einige Anstiege zu bewältigen. Wir hatten alle etwas Angst auch wegen der Hitze. In einer Etappe verlieren wir bis zu vier Liter Wasser. Zwar trinken wir auch an die fünf Liter, doch ist es schwer, die Mineralien etc. aufzufüllen. Bei solch einer Etappe muss man sich schon Gedanken machen, wie man sich ordentlich verpflegt, um es bis ins Ziel zu schaffen. Von Anfang an ging es bergauf, mit hohem Tempo und vielen Attacken. Nach rund 40 Kilometern hat sich eine Spitzengruppe gebildet. Ich war dabei. Wir konnten schnell einen Vorsprung von fünf Minuten herausfahren. Über Funk habe ich die Anweisung unseres Teamchefs bekommen, dass ich meine Kräfte sparen soll, um fit zu sein, falls das Feld inklusive unserer Leaderin doch noch zu uns aufschließen würde. Als noch 20 Kilometer zu fahren waren, gab mir unser Chef aber das Okay, auf eigene Kappe zu fahren. Der Abstand unserer Ausreißergruppe war groß. Die letzten Kilometer wurde attackiert, und ich habe versucht zu folgen, jedoch hatte ich kaum noch Kraft. Trotzdem wurde ich im Sprint noch Zehnte von über 190 Starterinnen. Mein erstes Top10-Ergebnis in einem World-Tour-Rennen. Ich war unheimlich glücklich, aber auch kaputt.

Achte Etappe Doch am nächsten Tag ging es direkt weiter: 140 Kilometer in den Bergen. Königsetappe, Nummer zwei quasi. Nach hektischen 70 Kilometern entlang der Küste ging es nach oben. Wir haben unserer Leaderin noch einmal am Berg geholfen, sind dann aber alle sonst abgefallen und im „Grupetto“ gefahren. Das bedeutet, dass sich Grüppchen hinter dem Spitzenfeld bilden. Es wird relativ ruhig gefahren und mit Fahrerinnen auch aus anderen Teams gequatscht. Ziel ist es, heil und erholt ins Ziel zu kommen.

Neunte Etappe Auf dieser sind wir sehr beeindruckend als Team aufgetreten, sind immer von vorn gefahren und haben das Tempo am Berg gemacht. Am Ende bin ich ein perfektes „Lead-out“ für unsere Sprinterin gefahren, sodass sie einen weiteren Podestplatz einfuhr.

Zehnte und letzte Etappe Am Abend vorher hatten wir nochmals ein ernstes Gespräch mit unserem Teamchef. Er hatte sich den Rundkurs in der Innenstadt von Neapel angeschaut. Er warnte uns, dass der Kurs sehr gefährlich sei: viele enge Kurven, geparkte Autos, schlechte Straßen. Wir sollten hoch konzentriert in die letzte Etappe gehen und nicht schon an die Weiterreise denken. Viele unnötige Stürze passieren durch Unkonzentriertheiten. Doch alles lief perfekt. Wir sind alle nochmals richtig gut gefahren, konnten das „Young-Rider-Jersey“ für unsere Cecilie Uttrup Ludwig verteidigen und sind alle zufrieden und gesund ins Ziel gekommen.

Nach dem Giro Nach zehn Tagen ist man sehr erschöpft. Nicht nur von den Rennen, sondern auch wegen der Hitze und den langen Transfers nach dem Rennen ins nächste Hotel. Und dann wären da ja auch die mentalen Belastungen, schließlich gilt es immer, Höchstleistung zu erbringen und hoch konzentriert zu sein. Trotzdem war ich sehr stolz, es geschafft zu haben. Und hoch motiviert, noch weiter an sich zu arbeiten, um irgendwann ganz vorne mitfahren zu können.

Ausblick Nachdem ich ein paar Tage daheim locker trainiert habe, weile ich schon wieder in Frankreich, wo heute ein weiteres World-Tour-Rennen stattfindet. Da gibt es einen knackigen, 14 Kilometer langen Schlussanstieg auf den Col d`lzoard. Danach werde ich mich auf die Europameisterschaften in Dänemark vorbereiten, wo ich sowohl für das Einzelzeitfahren am 2. August als auch das Straßenrennen am 4. August nominiert wurde.

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