Vor rund 160 interessierten Besuchern sprach der Politikwissenschaftler und Autor Hamed Abdel-Samad am Freitagabend auf Einladung der Buchhandlung Müller und der Volkshochschulen Weil am Rhein und Lörrach im Haus der Volksbildung über sein aktuell erschienenes Buch „Mohamed. Eine Abrechnung.” Von Daniela Buch Weil am Rhein. Radikale und Fundamentalisten forderten, man dürfe den Propheten nicht zeichnen, man dürfe ihn nicht kritisieren. „Irgendwann habe ich mir gesagt, nein, da mache ich nicht mehr mit. Diese Logik widerspricht dem Geist der Freiheit”, erklärte Hamed Abdel-Samad seine Beweggründe. Erst die Freiheit mache es möglich, den eigenen Glauben zu behalten und trotzdem eine gewisse Distanz zu ihm zu bewahren, sowie Selbstkritik und Satire zuzulassen. Das Buch sei nicht als Aufruf zum Glaubensverbot zu verstehen, sondern solle zum Nachdenken anregen. Hamed Abdel-Samad sprach sich für eine historisch-kritische Aufarbeitung sowohl mit der Entstehungsgeschichte des Koran als auch mit der Lebensgeschichte des Propheten und Islambegründers Mohameds aus. Dieser sei zwar vor 1400 Jahren gestorben, aber gelte vielen Muslimen noch im 21. Jahrhundert unantastbar als moralisches, religiöses und politisches Vorbild, beeinflusse Gesetze, Welt- und Gesellschaftsbild. Der 43-jährige Hamed Abdel-Samad stammt aus Ägypten und wuchs in einem gläubigen Umfeld auf. Sein Vater war Imam und Koranlehrer, er selbst lernte bereits in jungen Jahren den Koran und die offizielle Biographie Mohameds auswendig. Als auch heute noch gläubiger Muslim habe er versucht herauszufinden, was Mohamed für ein Mensch gewesen sei, um die Logik dessen Handelns zu verstehen. Grundlage für seine Forschungen waren die unterschiedlichen Biographien Mohameds, Erzählungen und Aussagen. Ferner las er die Suren des Korans in chronologischer Reihenfolge und setzte diese in Bezug zu den jeweiligen Lebensabschnitten des Propheten. Das Ergebnis der Analyse  mache die inhaltlichen Widersprüche des Koran nachvollziehbar, auf dessen Suren sich friedliebende Muslime ebenso berufen könnten wie die Kämpfer des Islamischen Staats. Die schönen, poetischen und toleranten Passagen rührten aus der friedlichen Phase des Islam in Mekka her, als Mohamed nur wenige Anhänger hatte. Später in der Phase in Medina, radikalisiere sich die Sprache, verherrliche den Krieg, den Märtyrertod, rufe zu Indoktrinierung und Gewalt auf. Zu Beginn seines Vortrags bedankte sich Hamed Abdel-Samad bei den Gastgebern – den Volkshochschulen Lörrach und Weil am Rhein und der Buchhandlung Müller – für deren Mut, die Lesung durchzuführen, was nicht selbstverständlich sei, und auch bei den Besuchern für ihr Kommen. Ein Leben unter Personenschutz Kurz nachdem Hamed Abdel-Samad im Juni 2014 einen islamkritischen Vortrag in Kairo gehalten hatte, wurde im ägyptischen Fernsehen mehrmals zu seiner Tötung aufgerufen. Seitdem lebt er unter ständigem Personenschutz, so auch bei seinem Besuch im Haus der Volksbildung. Neben den Leibwächtern, die im Saal und hinter dem Bühnenvorhang platziert waren, fand die ohne Störungen verlaufende Veranstaltung zusätzlich unter Polizeischutz statt. Sein Anliegen sei es, unter dem Schirm der Aufklärung und des Humanismus Religionskritik zu betreiben. Dabei unterscheide er deutlich zwischen der Ideologie und den Menschen, die man nicht gleichsetzen dürfe. Zu sagen, der Islam sei gewaltbereit, bedeute eben nicht, dass jeder Muslim dies auch sei. „Menschen dürfen nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Das ist Verunglimpfung”, stellte Hamed Abdel-Samad klar. Zudem wünschte er sich eine selbstbewusste Streitkultur und offene Debatte in der Mitte der Gesellschaft. Die Grenzen des Diskurses dürften weder von Rechts- und Linksextremisten, noch von radikalen Islamisten bestimmt werden, nur weil diese sich im öffentlichen Raum das größte Gehör verschafften.