Weil am Rhein Die Hürden des Alltags

Weiler Zeitung
„Wir müssen jetzt Nothilfe leisten“: Gemeindereferentin Annette Heilig (links) und Sigrid Fuchs, Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderats, vom Willkommenskreis. Foto: Sarah Trinler Foto: Weiler Zeitung

Willkommenskreis Weil am Rhein bereitet sich auf Notunterkunft in Haltingen vor

Von Sarah Trinler

Weil am Rhein. Aufopferungsvoll engagiert sich der Willkommenskreis Weil am Rhein seit Anfang dieses Jahres, um den Flüchtlingen die Integration in die Gesellschaft zu erleichtern. Viele Hürden musste man nehmen und die Bedürfnisse der Ankommenden erst einmal erkennen. Die geplante Notunterkunft für 200 Flüchtlinge beim Sägischopf in Haltingen stellt den Willkommenskreis nun vor eine ganz neue Aufgabe.

„Im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden mit Sammelunterkünften mussten wir hier in Weil einen ganz anderen Ansatz wählen“, erklärt Sigrid Fuchs, Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderats. Bisher stellt die Stadt Weil Anschlussunterbringungen, wie etwa in den ehemaligen Zollhäusern in Otterbach. Die Flüchtlinge im Stadtgebiet verteilt zu haben, erschwerte jedoch die Arbeit des Willkommenskreises. „Das wird wohl der einzige Vorteil der Notunterkunft sein – wir können dort alle gleichzeitig erreichen“, so Fuchs.

Die derzeit rund 80 Mitglieder des Willkommenskreises, der von den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden, dem Diakonischen Werk und der Stadtverwaltung organisiert wird, haben sich mittlerweile auf drei Gruppen (Sprachförderung, Begegnung schaffen und Begleitung im Alltag) verteilt. Verschiedene Angebote wurden gemacht, um die Flüchtlinge zu integrieren. Seit dieser Woche läuft auch der Sprachkurs für Erwachsene, der an drei Abenden in der Woche stattfindet.

Alltagsbegleiter wurden einzelnen Flüchtlingen oder Familien zugeordnet – sie mussten erkennen, wie viele Hürden sich in den Weg stellen, wenn man nicht in Deutschland aufgewachsen ist und die Sprache nicht beherrscht. Sigrid Fuchs erzählt, wie sie einer Frau aus Eritrea einen Flaschenrückgabeautomaten im Supermarkt erklärte. Den Ablauf hat die Frau schnell verstanden, doch als der Automat ausgerechnet dann voll war und die Fehlermeldung „Melden Sie sich bitte beim Kassenpersonal“ aufleuchtete, stand sie vor einem erneuten Rätsel.

Von Gastfreundschaft beeindruckt

Doch die kleinen Hürden des Alltags, zu denen auch die Mülltrennung zählt, konnten schnell aus dem Weg geräumt werden und das gegenseitige Voneinanderlernen wuchs. Annette Heilig, katholische Gemeindereferentin, ist besonders von der Gastfreundschaft der Flüchtlinge beeindruckt. „Egal zu wem ich komme: zuerst soll ich mich hinsetzen und etwas essen oder trinken“, sagt Heilig.

Dieser Aspekt bereitet den beiden Frauen aus dem Willkommenskreis im Hinblick auf die geplante Notunterkunft in Haltingen Sorgen. Dort können die Flüchtlinge ihre Gastfreundschaft nämlich nicht ausleben – eine Küche ist nicht vorhanden, das Essen wird täglich von einem Cateringservice gebracht. Daher möchte der Helferkreis Kochabende organisieren.

Überhaupt sei es sehr wichtig, die Flüchtlinge aus der Notunterkunft rauszuholen. „Endlich schlafen“, hätten die meisten Neuankömmlinge in den Anschlussunterbringungen gesagt, so Sigrid Fuchs. In Zelten oder Leichtbauhallen mit über 100 Leuten sei nie Ruhe. Die Kommunikation mit der Heimat erfolge meist nachts. Von Privatsphäre könne nicht die Rede sein, jeder „besitzt“ lediglich ein Bett und einen Spind, mehr nicht. Der Willkommenskreis hat sich daher vorgenommen, die Notunterkunft in Haltingen etwas gemütlicher einzurichten.

„Unsere Hilfe wird, denke ich, mit der Notunterkunft eine ganz andere Qualität bekommen“, sagt Sigrid Fuchs, die von der Erfahrung des Heimleiters und der Sozialbetreuer profitieren möchte. Dankbar sei sie auch über die Entscheidung der Stadt Weil am Rhein, einen Flüchtlingskoordinator einzustellen.

Auch wenn die Verunsicherung und Skepsis der Flüchtlinge anfangs hoch war, seien mittlerweile alle recht offen. „Sicherheit ist für diese Menschen das Wichtigste“, sagt Annette Heilig, „jetzt wollen sie einfach ankommen.“ Angst vor der Flüchtlingswelle habe sie nie verspürt, vielmehr hatte Annette Heilig Angst vor der Reaktion der Deutschen. Bisher sei aber nichts Negatives zu spüren. Die Gemeindereferentin hat derzeit sogar mehr Alltagsbegleiter als Flüchtlinge da sind.

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