Weil am Rhein Die Verzweiflung ist groß, die Zukunft unsicher

Weiler Zeitung
Die Nepalesin Seema hat fast alles verloren. Foto: Stefanie Glinski Foto: Weiler Zeitung

Nach Erdbeben in Nepal mit 6000 Todesopfern: Wie Familien, die alles verloren haben, mit der schwierigen Lage umgehen

Von Stefanie Glinski

Weil am Rhein. Durch das schreckliche Erdbeben in Nepal, das über 6000 Todesopfer gefordert hat, haben viele Familien ihr ohnehin schon kärgliches Hab und Gut verloren. Wie sie mit dieser Situation umgehen, schildert die Weiler Journalistin Stefanie Glinski, die in Kathmandu lebt, am Bespiel einer jungen Familie.

Seema stand vor etwas mehr als einer Woche in ihrer Küche und brühte Masala-Tee auf, eine typisch nepalesische Mischung, die mit Zimt und Nelkengewürz zubereitet wird. Sie hatte einen zweijährigen Sohn, einen Mann, der jeden Tag hart in einer Papierfabrik arbeitete und ein kleines Ziegelsteinhaus. Heute, einige Tage nach dem schweren Erdbeben, hat sie fast alles verloren.

Zwar lebt ihre Familie noch, doch das Haus ist nun eine unbewohnbare Ruine. Im oberen Stockwerk hängt ein Bett zwischen den Trümmern halb in der Luft, ein kleiner Gasherd ist unter Steinen begraben. Vor dem Erdbeben arbeitete Seema jeden Tag bis zu 16 Stunden in einer Ziegelsteinfabrik. Durch die zusammengefallene Fabrik hat sie auch ihre Arbeit verloren. Das letzte Gehalt wurde nicht gezahlt.

Zu dritt auf dem Roller

Spät am Samstagnachmittag, einige Stunden nach der Katastrophe, fuhr Seema mit ihrer Familie von ihrem kleinen Dorf nach Kathmandu. Die Fahrt dauert nur 20 Minuten, zu dritt auf einem Motorroller geht das schnell. „Natürlich stehen in Kathmandu mehr Häuser, und die Situation ist daher unsicher; aber hier  werden die Hilfsorganisationen zuerst Nahrung und Wasser verteilen sowie Zelte aufbauen, in denen wir die nächsten Wochen verbringen können“, erzählt sie.

Mitten in der Stadt auf einer riesigen Rasenfläche, die normalerweise zum Cricketspiel benutzt wird, schläft die junge Familie nun unter einem grünen Zelt. Decken gibt es wenige, und die Nächte sind kalt und nass, aber ein großer Tank versorgt die Menschen mit Trinkwasser. „Hier in der Stadt sind wir auch näher an medizinischer Versorgung, wer weiß, was noch passiert,“ meint die junge Frau.

Was sie nicht ahnt: Die Situation in den Krankenhäusern ist nicht besser. Kranke liegen auf Matratzen auf dem Boden, manche auch draußen unter Zelten. Die Ärzte sind überarbeitet, täglich treffen neue Leute ein. „Wir haben Angst, deshalb findet unsere Arbeit momentan draußen statt“, sagt ein Arzt, der gerade sein Studium in Indien beendet hat.

Wie es für Patienten und Familien wie die von Seema weitergeht, ist noch unklar. „Es wird 3000 Euro kosten, unser Haus wieder aufzubauen,“ erklärt sie. Eine Summe, die in Deutschland überschaubar ist, in Nepal jedoch dreimal so hoch wie Seemas jährliches Einkommen.

Beten zu den Göttern

Seit über einer Woche ist Seema nicht in ihr Dorf zurückgekehrt, auch am Sonntag nach dem Unglück bebte die Erde mit einer Stärke von 6,7, am darauffolgenden Montag war es eine Stärke von 5,5 auf der Richterskala. Jedes Mal wenn es wieder losgeht betet Seema zu den Göttern.

Heute sieht die Situation in der Hauptstadt jedoch entspannter aus, denn seit einer Woche gab es kein erhebliches Beben mehr, nur noch kleine, kaum spürbare Nachbeben. Viele Menschen überlegen, ob sie nach Hause gehen sollen, doch die Angst an das Erlebte bleibt und die meisten trauen sich nicht, ein Haus zu betreten.

Zurück zum Alltag

„Es ist ein mulmiges Gefühl, denn drinnen ist man nicht sicher“, sagt ein Grundschullehrer in Lalitpur, nahe Kathmandus Zentrum. Trotzdem wollen alle zu einem normalen, geregelten Leben zurückkehren. Einige Geschäfte haben deshalb geöffnet, auch, wenn es nicht viele sind. Auch fahren wieder Motorroller durch die Straßen und die Elektrizität ist zumindest in einigen Stadtteilen für ein paar Stunden am Tag zurückgekehrt.

Seema und ihre Familie werden in nächster Zeit trotzdem keine gemütliche Tasse Masala-Tee genießen. „Wir bekommen hier Wasser und Reis und das muss uns in den kommenden Wochen genügen. Zwar hoffen wir, dass das Erdbeben endgültig zu Ende ist, aber wann die Aufbauarbeiten beginnen, kann ich nicht sagen.“

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